Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Daraufhin machte ein Lederknecht vom Typ glatzköpfiger Frisör Tür und Mund auf. An sich war nichts dagegen einzu wenden, dass auch Männer sich bei der Artikulation Mü he gaben, aber, so fragte ich mich, misshandelten Frauen ihre Stimmbänder in ihrem kommunikativen Übereifer tatsächlich auf solche Weise, mit diesem plattgaumigen Timbre aus emphatisch enger Brust? Wer konnte schon so viel ungelebte Herzlichkeit ernst nehmen?
    Der Glatzenfrisör komplimentierte uns durch eine Die le in eine Gaststube und linste dabei auf unsere Hosenställe. Ich ermahnte mich: Hier kam es nicht darauf an, dass ich den Mann spielte.
    Die Stube hatte etwas von einer Grotte, in deren Winkeln und Durchblicken ein halbes Dutzend intime Tischchen standen. Die gerundeten, dicken, rau verputzten Zwischenwände verbreiteten zusammen mit Lämpchen eine vergilbte Hauspartyatmosphäre, nur dass zur Party bislang noch niemand gekommen war, niemand außer einem Paar und uns.
    Ein sehr schlanker Jüngling brachte uns das gewünschte Bier. Er hatte eine Bistroschürze um die schmale Hüfte gewickelt, die einen für meinen Geschmack zu mageren Jeanshintern freihielt. Krk flirtete mit den Augen. In einem anderen Grottenteil saßen ein nicht mehr ganz junger Staatsschauspieler mit weißem Schal und geschwellter Brust und ein gefönter blonder Jüngling, der mit reichlich selbstvergafftem Finger- und Mienenspiel versuchte, den Mimen aus dem Panzer zu kitzeln.
    »Ist das alles?«, flüsterte ich.
    Krk grinste. »Du erwartest doch nicht, dass die uns gleich ins Hinterzimmer führen, vor allem, solange du so verschreckt aussiehst.« Er griff über die Tischdecke nach meiner Hand und beugte sich über die Ecke. Ich kam ihm entgegen. Seine Lippen waren trocken, aber seine Zunge war leicht salzig auf ein kleines Abenteuer aus.
    »Bist du in einer festen Beziehung?«, erkundigte ich mich.
    »Er ist Testfahrer.«
    Ich bedachte amüsiert, welche Angst Krk gehabt hatte, wenn ich ihn mit Emma, Gott hab sie selig, kutschierte, während er mir jetzt von gemeinsamen Testfahrten auf dem Hockenheimring erzählte, zweihundert auf der Geraden und dann kurz vor der Kurve auf sechzig runtergebremst, da hing man wie ein Dummy in den Gurten, und der Helm gongte an den Autorahmen.
    »Und du?«, erkundigte er sich.
    Das wusste ich im Moment nicht so genau.
    »Au«, sagte er, »frisch verkracht. Du musst halt den anderen auch mal die Chance lassen, ihre Beziehung zu dir zu gestalten. Der kommt schon wieder, wenn ihm was an dir liegt.«
    »Der nicht.«
    »So schlimm? Was ist denn das für einer, der …«
    Das Klingeln an der Haustür war in der Grotte gut zu hören.
    »… der deinem Nuttenblick widersteht?«
    Leider konnte ich Krks Seelenmassage nicht recht würdigen. Draußen gab es Gemurmel, aber die Partygäs te erschienen nicht in der Grotte.
    »Ich glaube«, sagte ich, »ich muss mich jetzt mal auf dem Weg zur Toilette verirren.«
    »Du benimmst dich! Mein Chef ist hier Stammgast.«
    Ich stand auf und ruckte am Gürtel. »Man wird doch noch sein Wasser abschlagen dürfen.«
    Krk stand eilig senkrecht. Der Schauspieler und sein Dämchen glotzten.
    »Er spritzt halt gern mit ’nem fremden Schlauch«, bemerkte ich im Vorbeigehen zu dem Pärchen, »hat er als Kind nie gedurft, mit dem Schlauch spritzen, meine ich.«
    Krk kniff mich fies in die Hinterbacke und ich sprang kicksend zur Tür. Draußen erwischte ich ihn am Kragen. Er wehrte sich so zuverlässig wie immer. Mit dem Rü cken zur Wand ließ er mich bubeln, um ihm seine Intimität abzuknöpfen. Er wehrte sich noch energischer als früher. Ich schubste ihn zur nächsten Tür. Logisch, dass es hier nur ein Herrenklo gab. Glänzende Pissoirs in rötlichem Licht. Krk sperrte sich im Türrahmen. »Bitte nicht hier!«
    Da wuchs auch schon der Glatzenfrisör aus dem Boden, ganz lächelnde Sanftheit. Wir blickten ihn an wie Kinder, die man beim Doktorspielen erwischt hatte.
    Er gurrte: »Aber, meine Lieben. Muss das sein?«
    »Tschuldigung«, sagte ich, »ich vergaß, sein Chef ist ja hier Stammgast.«
    Krk verdrehte seine Scheinwerfer verlegen zum Fri sör. »Jaja, die Jugend von heute.«
    Der Frisör drehte am Diamant in seinem fleischigen Ohrläppchen. Krk deutete den Griff nach dem Geldbeutel in der Gesäßtasche an, aber eigentlich verständigten sie sich mit Blicken. Der Frisör besiegte die Bedenken, die ihm sein Instinkt einräucherte, und öffnete eine weitere Tür. Wir warteten artig in einem kleinen Vorraum

Weitere Kostenlose Bücher