Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
mit Stühlen und Blumen, während der Lederknecht an einer Tür, die nur einen Knauf hatte, einen stummen Klingelknopf drückte. Von innen, von unten, nämlich eine Kellertreppe hinauf, öffnete ein bulliger Typ, an dem wir uns Bauch an Bauch vorbeidrängelten. Die Treppe sauste in die Tiefe. Unten winkelte musikgeschwängertes Licht um die Ecke. Ich erwartete Kartoffelgeruch, aber es dünstete der Fischgeruch puren Spermas. Die Katakomben des Wohnsilos waren vorkriegsalt und verwinkelt. Die Kartoffelkellerholzverschläge hatte man lila lackiert und mit Vorhängen versehen. Ein Fuß stiefelte in den Gang. Videotöne schepperten. In einem Verschlag lag einer bei offenem Vorgang auf einer Matratze und teilte wichsend seine Aufmerksamkeit zwischen einem widerscheinenden Porno und den Passanten im Gang.
    Ein Jüngelchen in Hosen auf halber Arschbacke schlabberte uns mit umgedrehter Baseballmütze entgegen. Im roten Licht sahen seine Pickel grau aus, die entzündeten schwarz. Als er an uns vorbeihuschte, wusste ich wieder, woher ich ihn kannte. Auch er hatte mich erkannt.
    Der bullige Typ entließ uns in ein blau und rot wummerndes Gewölbe. Auf einer zusammengebretterten Minibühne aalte ein lendengeschürzter Jüngling seinen trainierten Body. Gegenüber der Tür hantierte ein Schwarzer hinter einer kleinen Bar. In dem Bums hatten fünf Tische Platz, an denen Herren in Plüschsesseln bei Champagner saßen, meist der Bühne zugewandt oder den Jungs, die zwischen ihnen hockten. Die Buben rauchten mit knochigen Fingern, die Handgelenke mit Lederriemen und geflochtenen Bändchen geschmückt, die Haare in den Augen, in denen das Weiße blitzte. Das war kultig: ein rauer Kartoffelkeller für Herren mit Krawatte.
    Ich spürte, wie Krk an meiner Seite erstarrte. Er wand te sich mir zu, schirmte mich mit seinem Körper gegen den Raum ab und stützte auch noch den Arm vor meinen Au gen gegen die Wand.
    »Schau nicht hin! Da vorn sitzt Otter und neben ihm der Kultusminister.«
    »Hilfe, Otter kennt mich!«
    »Flucht oder Tod?«, fragte Krk. »Was ist dir lieber?«
    Ich bedachte den verwinkelten, von einem bulligen Typen bewachten Fluchtweg die Treppen hinauf. Krk dachte dasselbe. Ich linste auf mein Handy, aber das war auf Sendersuche. Keine Chance, die Polizei zu rufen. Dass Krk eine Waffe bei sich trug, war wenig wahrscheinlich. Ein Fotograf vom Motor-Magazin brauchte so etwas normalerweise nicht.
    »Außerdem«, flüsterte ich, »war der Junge da draußen im Gang ein Schüler vom PHG, Jöran heißt er.«
    »Dann sollten wir den Pfarrer für die letzte Ölung bestellen.«
    »Hast du eine Kamera dabei?«
    »Ich werde doch jetzt nicht … du hast sie wohl nicht alle!« Krk drängelte mich nachdrücklich zur Tür. Während ich noch überlegte, was weniger auffällig war, unser Eintritt und sofortiger Rückzug oder ein schweinisches Übereinanderherfallen in einer feuchten Ecke des Gewölbes, öffnete Krk die Tür einen Spalt breit und ließ sie wieder zufallen. »Zu spät. Sie kommen.«
    Ich machte mich von ihm los und strebte zur Bar. Wenn schon Kloppe, dann mit einem Martini in der Hand. Der lange Neger nahm meine Bestellung mit einem ach so schönen Lächeln entgegen. Ich schob meinen Hintern auf den Hocker, im Rücken die Herren von der Kultusbehörde. Krk blieb stehen.
    Zwei Männer – der bullige Typ hatte sich zwillingshaft verdoppelt – schoben sich zur Tür herein und sondierten.
    »Nicht umdrehen«, flüsterte ich Krk zu, »die Killer sind da.«
    Krks Lippen waren kalt. Seine Hand fingerte ohne sinnliches Interesse in meiner Leistengegend herum. Mit der anderen angelte er im Innenjackett nach den Zigaretten. Seine Scheinwerfer wanderten zu der Sitzgruppe hinter mir und fixierten etwas, das in meinem Rücken näher kam.
    Im nächsten Moment stand ein Mann in Hemdsärmeln mit Bauch neben mir, die Krawatte gelockert, die Gesichtszüge wie um einen Zentimeter am Schädel herabgerutscht, die wasserblauen Augen interessiert in mein Gesicht geheftet. Kultusminister Bollach stand schon nicht mehr ganz sicher auf den Beinen.
    »Das geht auf meine Rechnung«, herrschte er den Barkeeper an, der uns die Gläser hinstellte, »wenn du erlaubst?«
    Krk nickte gnädig und zündete sich die Zigarette an.
    »Ich wollte doch nur mal sehen«, sagte Bollach zu mir, »was für ein Gesicht sich hinter diesem knackigen Figürchen verbirgt. Ich muss schon sagen …« Er sagte es nicht, blies mir aber seinen Bierhauch ins Gesicht und hielt sich

Weitere Kostenlose Bücher