Harte Schule
war, zündete er sich den Stängel mit einem gewissen Schwung an.
»Jedenfalls«, nahm ich meinen Faden wieder auf, »hat diese Frau, über die wir nicht reden, zugegeben, dass sie den Tipp von Elsäßer hatte. Später behauptete sie allerdings, sie hätte ihn von dir.«
»Gib dir keine Mühe. Ich werde am Montag den Generalstaatsanwalt um ein disziplinarisches Ermittlungsverfahren gegen mich bitten.«
»So dramatisch? Es ist doch nicht das erste Mal, dass ihr bei einer Firmendurchsuchung nichts findet. Außerdem hatte Elsäßer den Tipp in Wahrheit von deinem Kollegen Fuhr. Seine Tochter hat mir heute mitgeteilt, dass er mich deine Entgleisung nennt und dich beneidet.«
»Hör bitte auf, dich in Dinge einzumischen, die dich nichts angehen.«
»Übrigens gut der Wein. Hast du einen Kaffee?«
»Nein.«
»Na!«
»Lisa, hör auf mit den Spielchen. Es ist Schluss!«
Immer wollte er alles alleine entscheiden, und das traf. Diesmal sah er so aus, als sei er entschlossen, jeden Übergriff meinerseits mit einem Faustschlag abzuwehren. Ich wandte mich zur Tür. Er sprach die Urteile, und meine Aufgabe war es, für die Überraschungen zu sorgen, aber nicht ohne Kaffee. Doch was für ein Chaos in der Küche! Geschirr von mehreren Tagen in der Spüle, die Flächen klebrig, der Mülleimer voll. Richard stand in der Tür und sah zu Tode erschöpft aus. Ich fand Kaffee und Filter, lud die Maschine und begann, die Spülmaschine auszuräumen. Die Küche war von spartanisch stilechter Funktionalität und nach einem für alle Küchen geltenden Prinzip geordnet: Töpfe unten, Teller in Sichthöhe, Tassen daneben, Besteck in der Schublade.
»Meinst du nicht«, plauderte ich, »dass du dir, bevor du dich mit sündhaft teurem Wein betrinkst, bei einem Kaffee überlegen könntest, ob es nicht noch einen anderen Weg gibt?«
»Ich kann mich ohnehin nicht betrinken«, sagte er. »Ich würde es gern, aber ich kann es nicht mehr.« Zielsicher warf er die Zigarettenkippe in die Spüle. Es zischte. Ich klaubte sie aus dem Wasserglas, entsorgte sie im Mülleimer und stellte das Glas in die Spülmaschine. »Je mehr man versucht, die Kontrolle zu behalten«, erklärte er, »desto klarer wird einem, dass man sie verloren hat. Übrigens, die Teller kommen nach oben.«
Beflissen stapelte ich die Teller in der oberen Lade der Maschine.
»Es ist doch nicht die erste Intrige, gegen die du dich wehren musst. Bei deiner Begabung, dir Feinde zu machen.«
Er sah mich mit seinen asymmetrischen Augen an. »Intrige? Das sind nur Schachzüge. Nein, davon rede ich nicht.«
Ein Teller entglitt mir und zersprang auf dem Kachelboden. Die Scherben schossen in alle Richtungen über die Ornamentik und klackten gegen die aluminiumbeschlagenen Schranksockel. Richard machte im Reflex einen Schritt nach vorn.
»Vorsicht! Du hast keine Schuhe an.«
Er blickte auf die bordeauxroten Socken, hob hilflos die Hand, drehte sich um und war weg.
Ich fand Besen und Schaufel und fischte die Scherben zusammen. Mit der Vollendung der Küche ließ ich mir noch fünf Minuten Zeit. Doch im Salon war kein Richard, im Schlafzimmer – schön wie eine Mönchszelle – auch nicht. Das Gästezimmer hatte eine grässliche Tape te. Das nächste Zimmer war dunkel; darin ein Drache, der sich auf den zweiten Blick als Konzertflügel entpuppte, und am Fenster Richards Silhouette, das Geglitzer im Stadtkessel zu Füßen. Aber das sah er nicht, konnte er nicht sehen, denn er hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, die Schultern hochgezogen.
Ich erschrak bis in die Achillessehnen und schepperte gegen einen Stuhl im Wege.
Er streckte abwehrend den Arm aus. In meiner Jacke hätte ich vielleicht ein Taschentuch gehabt, aber die war im Herrenzimmer. Ich bot ihm den Ärmel meines Sweat shirts an. Er lachte verzweifelt. Mir stellten sich sämtli che Härchen auf. Aber er schob mich weg und wich hinter den Bechsteinflügel aus. Um diese kulturelle Klippe kam ich nicht herum.
»Was ist denn nur?«
»Entschuldige …«
»Quatsch.«
»Lisa, es hat keinen Sinn. Ich … Was verlangst du noch? Was muss ich tun, damit du das begreifst? Es ist doch nicht so schwierig.«
»Nicht? Aha.«
»Sei doch mal ehrlich. Ich bin für dich doch nur ein … ein eleganter Narr. Wie sagtest du vorhin? Eine Entgleisung. Nein! Lass mich einmal ausreden!«
»…«
»Ich will sagen: Du lebst dein Leben, und ich kann einfach nicht mitansehen, wie du … ich kann es nicht ertragen, wenn du … ich … ich kann
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