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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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begleiten schien. Sie eierte vor mir her. Auch für die Glastür im Seitentrakt hatte sie einen Schlüssel, aber die Tür blieb offen, solange sie im Gebäude war. Das hieß, dass alle Türen zum Hinterhof verschlossen gewesen waren, als die Esoterik-AG endete. Es entbehrte nicht ganz der Logik, dass die Polizei ihren Verdacht gegen Marko auf den Besitz des Schlüssels zum Zauntor gründete. Täter und Opfer hatten nur durch dieses Tor in den Hof gelangen können, es sei denn, Frau Schneider war Zeugin des Mordes gewesen.
    Im Neonlicht der physikalischen Sammlung waren Ja/Nein und Und/Oder-Schaltungen aufgebaut. Da es sich hier wiederum um Elektrizität handelte, hielt ich Abstand.
    »Und Sie«, kicherte Schneider, »wollen wohl nachher Ihren Schatz treffen.«
    »Schlimmer, den Kultusminister.«
    Die Alte duckte sich mit einem Schwabenstreich-Lächeln und wischte nicht vorhandene Stäubchen vom Versuchstisch.
    »Und Sie müssen mir helfen. Ich möchte das Gespräch aufnehmen, aber so, dass er es nicht merkt.«
    »Da gibt es heutzutage nette kleine Geräte. Aber damit kann ich leider nicht aufwarten. Ich müsste was baschteln. Wie viel Zeit haben wir?«
    »Eine Stunde.«
    Schneider wischte über den Tisch und ging dann an die Schubladen. Kabel, Krokodilklemmen, Isolierband, ein altes Diktafon, ein Minimikro, Schraubenzieher, Draht, Lötkolben, Lötzinn.
    »Die Buben aus meinen Physikklassen, die könnten Ihnen sofort was bauen. Aber mir fehlt die Übung. Das Diktafon hat zwar ein Mikrofon, aber Sie wollen dem Minischter das Gerät natürlich nicht unter die Nase halten, gell. Wir brauchen eine Niere. Die meisten Leute sagen dazu Richtmikrofon, aber wir sagen gerichtetes Mikrofon. Die Empfangsreichweite ist nicht kugelförmig, sondern vorne am weitesten und an den Seiten begrenzt, eben wie eine Niere. Seitengeräusche werden ausgeblendet.«
    Ich hatte schon immer Schwierigkeiten gehabt, mir diese unsichtbaren Felder und Wirkungsbereiche vorzustellen.
    »Das ist jetzt ein bissle das Problem«, fuhr Schneider fort. »Da müssen wir uns was einfallen lassen, wo wir das Mikrofon verstecken, sonst haben Sie am Ende nur Ihren eigenen Raucherhusten auf Band statt der hehren Worte des Minischters.« Sie blickte mir in den Blusenausschnitt. »Darf ich mal.« Sie ließ Zange und Messerchen fallen und griff mir in den Damenblazer. »Das Mäntelchen müssen Sie wahrscheinlich ablegen. Aber das Jäckchen ist nicht schlecht. Eine Innentasche hat es natürlich nicht, wo wir das Diktafon reinstecken könnten. Hätten Sie nicht ein Herrensakko nehmen können?«
    »Tja.«
    »Oder wollen Sie das Ding auf der Haut tragen? Nur ob die Pflaster auf die Dauer halten, wenn Sie ins Schwitzen kommen …« Sie kicherte. Ihr Händchen krauchte unversehens unter meine Achsel in den Ärmel. »Und das Mikro stecken wir Ihnen in die Manschette. Dann halten Sie die Hand immer in Richtung des Minischters.«
    Ich war voller Vertrauen. Schneider schloss den Lötkolben an und hieß mich nach einem langen Kabel suchen. Ich zog die Schubladen auf: Rädchen, Schrauben, Dioden, Batterien, Federwaagen …
    »Ich nehme an, Sie kennen sich im Presserecht besser aus als ich. Obacht! Da sind lauter spitzige Dinger drin.«
    Es waren Federmesser, Gravournadeln, Spritzkanülen, Stricknadeln, Laubsägeblätter und unidentifizierbare Bestecke aus Arzttaschen oder Versuchslabors früherer Jahrhunderte. Schneider erzählte, sie kaufe den Trödel auf Flohmärkten zusammen. Manchmal brächten ihr auch die Schüler was mit aus dem Hobbykeller ihres Vaters oder dem Physikkasten des Großvaters. Ein schönes, griffiges Gerät schmeichelte sich in meine Hand. Es hatte einen zigarrenförmigen Griff, von dem eine ungefähr sieben Zentimeter lange Hohlnadel ausging, schräg angefeilt.
    »Und was ist das?«
    Schneider kicherte. »Ein Korkenzieher. Der Griff ist eine Luftpumpe. Man sticht in den Korken, zieht den Griff auf und nieder und pumpt so Luft in die Flasche. So kann man den Schülern ganz gut die Verdrängungskräfte von Luft veranschaulichen.«
    Im Übrigen lief uns die Zeit davon. Schneider beraub te den Rollwagen mit der logischen Schaltung wichtiger Kabelverbindungen und amüsierte sich, dass sie damit eine Versuchsanordnung des Kollegen Zeller schrottete. Sie lötete das Mikrokabel ins Diktafon, klebte Isolierband drüber, bekam dann den Deckel nicht mehr zu, knackte mit der Zange Zacken ins Plastik und kicherte. Währenddessen stellte ich nach Augenmaß ein

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