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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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mir stand, gab mich plötzlich frei. Ich stürzte vorwärts. Kurt schreckte herum. Wieder hielt er es nicht für nötig, die Reisetasche fallen zu lassen. Nur dass ich diesmal wirklich wütend in ihn hineinging. Noch nie war mir ein Fußhebel so durchschlagend gelungen. Ippon. Kurt lag platt auf dem Rücken und stand auch vorerst nicht wieder auf.
    Die eintreffende Polizei nahm uns beide mit.

15
     
    Sonntagnachmittag war es ruhig in der Redaktion; ohne Völontärin. Von der LPDII kam die Mitteilung, dass es im Schulhofmord eine Verhaftung gegeben habe. Marko V. habe ein Teilgeständnis abgelegt. Ich rief Christoph an, um mich zu erkundigen, was denn Teilgeständnis bedeu te. Er sagte, er habe die Formulierung nicht zu verantworten. Marko sei gestern in München verhaftet und dort dem Ermittlungsrichter vorgeführt worden. EKHK Beckstein sei nach München gereist, um die erste Vernehmung zu führen. Bei ihrer Rückkehr habe sie mitgeteilt, Marko habe eingeräumt, am Dienstagabend einen Streit mit Marquardt gehabt zu haben. Marquardt habe von ihm verlangt, er solle sich in Ethik als Schwuler outen und seinen Mitschülern von seinen Nöten, Wünschen und Erfahrungen berichten. Dies habe Marko vehement zu rückgewiesen. Der Streit habe nach Markos Angaben vor dem Schultor stattgefunden. Wie zum Beweis habe er einen dunklen BMW angeführt, der an der Telefonzelle gestanden habe und in dem ein Mann saß, der ausstieg, als er, Marko, ging. »Wenn du mich fragst«, sagte Christoph, »Marko war’s. Warum ist er sonst abgehauen.«
    »Es vertrauen nicht alle so wie ich der deutschen Justiz«, sagte ich.
    Marko wurde nun verschubt, das heißt, man transportierte ihn im Rahmen eines Fahrplans für Gefangenentransporte über diverse Anstalten allmählich nach Stuttgart. Das konnte Tage oder Wochen dauern.
     
    Am Montag meldete sich Isolde krank. Die Staatsanwaltschaft teilte auf Anfrage mit, dass die Ermittlungen gegen TVCinema eingestellt würden. Es müssten nur noch einige Detailfragen geklärt werden. Der Haftbefehl gegen Kurt Holzer sei aufgehoben worden.
    Steffi Bach rief an. Es sei eine Sauerei, dass man Mar ko verhaftet habe. Sie habe es in der Schule erfahren. Ich solle was dagegen unternehmen. Ich trug ihr auf, alle zusammenzutrommeln, die in die Esoterik-AG gegangen waren, und mich dann wieder anzurufen.
    Elsäßer bestellte mich ein und erkundigte sich nach dem Stand im Schulhofmord, nahm befriedigt zur Kenntnis, dass die Polizei den mutmaßlichen Täter verhaftet hatte, und äußerte die Hoffnung, dass ich mich nun wieder mit voller Kraft meinen eigentlichen Aufgaben zu wenden könne. Außerdem habe Frau Ringolf ihn gebe ten, einem anderen Redakteur zugeteilt zu werden.
    Elsäßers Sekretärin unterbrach uns. Sie hatte das Kultusministerium am Apparat, doch es wollte nicht mit Elsäßer, sondern mit mir verbunden werden. Ich ließ den Anruf in mein Kabäuschen durchstellen. Eine Dame informierte mich, dass Minister Bollach meiner Bitte um einen Interviewtermin heute Abend um zwanzig Uhr nachkommen könne. Ich bedankte mich höflich und rief im Motor-Magazin an. Man sagte mir, dass Krk seit Samstag auf Dienstreise sei, wo, könne man mir leider nicht sagen. Frau Kallweit erklärte wie üblich, Dr. Weber sei im Gericht, und Christoph hatte sich im Amt nach dem Ermittlungserfolg einen freien Tag genommen. Er hätte mich für das Gespräch mit Bollach ohnehin nicht mit Abhörelektronik ausgerüstet. Ich erkundigte mich bei Sally, die in einer Redaktion des SWR arbeitete, ob jemand im Sender bereit und fähig sei, mich mit einem Miniaufnahmegerät auszustatten, aber sie bezweifelte das. Ich insistierte nicht. Gegen fünf ließ ich fünf gerade sein und verabschiedete mich in der Redaktion, obgleich die Kollegen dies für unsittlich hielten, um daheim in aller Ruhe meinem sportlichen Outfit einen weiblich farbigen Touch zu geben. Vor allem schminkte ich mich, bis meine Narbe unsichtbar wurde. Beim Nagellack fiel mir plötzlich die Physiklehrerin ein.
    Die Asservatenkammer war erleuchtet. Ich schrie und rief so lange am Schulhofzaun, bis Frau Schneider klein und schief über den Hof kam und das Törchen aufschloss. Sie beäugte mich wie eine Mutter, die sich über die Verschönerungen, die sich Töchter auf dem Weg zum Frausein angedeihen lassen, jede Bemerkung verkneifen will.
    »Eigentlich darf ich Sie nicht reinlassen«, sagte sie mit dem leisen Kichern, das die Äußerungen ihres subversiven Eigenwillens stets zu

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