Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
Vom Netzwerk:
Plastiktütchen her, welches das Diktafon aufnehmen sollte, und versuchte, es in die linke Innenseite meiner Jacke zu heften. Als wir das Kabel durch den Ärmel gezogen hatten und das Mikro unter der Blusenmanschette endlich hielt, tat das Diktafon nicht. Alles wieder raus. Kassette rumgedreht, Batterien gewechselt, Tonkopf gereinigt, durchgemessen. Zweiter Test nach neuerlichem Anlegen. Jetzt tat’s.
    »Wiedersehen macht Freude!«, rief Schneider mir hinterher. Ich rannte den Pfad hinab zu Brontë. Die elektronische Installation baumelte, drückte und ziepte. Ich war versucht, sie mir sogleich wieder aus den Kleidern zu reißen. Dabei stellte ich fest, dass ich den Luftdruckkorkenzieher in meiner Jackentasche hatte. Auf dem Weg durch die Grünanlage des Schlossplatzes zum Portal des Neuen Schlosses konnte ich mir das Mikro auch nicht mehr abfummeln. Das musste jetzt so bleiben, denn wohin mit dem Gerät? Der Sicherheitsmann am Eingang war nicht zur Leibesvisitation bestellt. Er begutachtete nur den Presseausweis und telefonierte eine junge Dame die Barocktreppe herab, die mich hinaufführte. Ich kommentierte den Umstand, dass das Ministerium für Kultus und Sport in einem kulturellen Erbe untergebracht war, und sie lachte wie jemand, der solchen Kommentar schon Dutzende Male gehört hatte. Im Vorzimmer nahm mir eine ältere Dame den Mantel ab. »Gehen Sie gleich durch, er erwartet Sie schon.«
    Ich zippelte mein links beschwertes Jäckchen aus der Schieflage. Bollach kam hinter einem fernen Schreibtisch hervor, zurrte seine Gesichtszüge hoch, streckte die Hand aus, winkte der Sekretärin, die Tür zu schließen, und sag te: »Frau Nerz, ich freue mich. Aber ich muss schon sagen, ich hätte Sie bald nicht wiedererkannt. Alle Achtung, ein gelungenes Bubenstück, im wahrsten Sinne des Wortes.« Er lachte kurz. »Nehmen Sie Platz.«
    Wir waren bei der Sitzgruppe angelangt, die aus einem polierten Holztisch mit Chrombeinen und rundherum Ledersesseln bestand, die keine Armlehnen hatten. Die modernistisch kantigen Lederpolster waren über die verchromten Sitzgestelle gebrochen wie Futonmatten.
    »Machen Sie es sich bequem. Was darf ich Ihnen anbieten? Kaffee? Cognac?«
    Die Sekretärin musste noch mal kommen.
    Ich suchte nach einer machbaren Position auf dem Sessel und befürchtete, dass es seltsam wirken würde, wenn meine linke Hand gleich einem Colt stets auf Bollach zielte. Ich schlug zwar die Beine übereinander, um den Unterarm auflegen zu können, aber das wirkte weder elegant noch souverän.
    Die Sekretärin brachte Cognac. Bollach knöpfte das Jackett auf, hakte die Daumen in den Bund und dehnte den Bauch. »Wirklich, ein echter Schwabenstreich, den Sie sich da geleistet haben. Sie haben es faustdick hinter den Ohren. Ich schätze das. Außerdem gehören Sie, wie ich sehe, nicht zu den Journalisten, die womöglich falsch verstandene Informationen vorschnell an die Öffentlichkeit blasen.« Sein Gesicht rutschte dem sich nahenden Cognacschwenker am Schädel herab entgegen. »Abgesehen davon, dass es niemandem was bringt, nicht mal Ihrer Karriere, wenn Sie Vorwürfe erheben, die völlig aus der Luft gegriffen sind. Sie haben da etwas gesehen, das Ihnen zu denken gibt. Aber, was haben Sie eigentlich gesehen?« Seine wasserblauen Augen fixierten mich kurz, während seine Nase sich in den Schwenker senkte. »Glauben Sie mir, ich war selber aufs Höchste überrascht, als mir ein Licht aufging, wohin mein Schwager mich da geschleppt hatte. Ich hatte ja keine Ahnung.« Er zog die Lippen vom Kinn hoch zu den Zähnen, stülpte sie über den Glasrand und kippte den Cognac. Dann stellte er das Glas rasch ab und heftete den Blick an mein Revers. »Dem habe ich vielleicht was erzählt. Das kön nen Sie mir glauben. Immerhin hat er Frau und Kind, und er ist Schulrektor. Aber nun stellen Sie sich vor, Wilhelms Frau, die ja nun, ob ich will oder nicht, meine Schwester ist, liest morgen in der Zeitung, dass ihr Mann … Sie geht ganz in der Ehe auf. Sie ist von konservativem Zuschnitt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Sie werden sagen, bei uns herrscht Pressefreiheit. Richtig. Ich sage immer, hört auf, die Schülerzeitungen zu zensieren, ein bisschen Gelassenheit ist schon vonnöten. Die Lehrer sollen sich nicht so haben, wenn mal ein kritisches Wort fällt, das faule Gesocks …« Er hustete sich wieder zum Thema zurück. »Aber hier geht es ja nicht um eine Geschmacklosigkeit in einer Schülerzeitung. Sie wollen einen

Weitere Kostenlose Bücher