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Harte Schule

Harte Schule

Titel: Harte Schule Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Lehmann
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Gespräch mit Jöran allmählich den Anschluss verlor.
    »Was kriege ich«, fragte Steffi, »wenn ich dir den Schrebergarten zeige?«
    »Das hätte dir eher einfallen müssen«, sagte ich. »Aber okay, jeder, der was Interessantes erzählt, bekommt zehn Euro.«
    Steffi machte einen Hüpfer. »Ich weiß was.«
    Persephone schnaubte verächtlich.
    Zampano sagte: »Marquardt hat mich mal zu sich nach Hause eingeladen. Er hätte eine Kamera, wir könnten ein bisschen was probieren.«
    Mit Dampfwolken vor den Mündern blickten die Kinder vor sich hin. Da war er wieder, der Ausdruck von Introvertiertheit. Den ganzen Tag warfen sie sich Ausdrücke wie Fickfehler, Porno und Kanakenfotze an den Kopf, aber Marquardts hinterfotzige Anmache überstieg ihr Begriffsvermögen.
    »Ich bin aber nicht hin«, fuhr Zampano fort. »Ich hab gesagt, ich würd’s mir überlegen. Er hat nicht noch mal gefragt.«
    »Hat er noch jemanden von euch gefragt?«
    Steffi hätte gern mit Ja nachgekartet, aber ein Anflug von Einsicht in die Bedeutung solcher Vorwürfe hielt sie davon ab. Ihr fiel jedoch was anderes ein: »Zwanzig Eu ro, wenn ich dir sage, von wem der Jürgen die Kamera hatte.«
    »Von Zeller«, sagte ich, einer spontanen Eingebung gehorchend.
    Steffi biss sich auf die Lippen. »Woher … wieso?«
    »Ganz einfach, Steffi. Du hast kürzlich nachts bei mir daheim angerufen, obwohl ich dir nie meine Privatnummer gegeben habe. Aber Zeller hat meine Karte.«
    »Scheiße!« Steffi stampfte mit dem Fuß auf. »Er hat geschworen, dass er niemandem was von uns sagt. Es war ja auch gar nichts. Ich geh doch nicht mit einem Lehrer, ich bin doch nicht behindert. Auch wenn er mir jetzt einen Sechser gibt.«
    »Porno!«, rief Birte. »Du hast was mit dem Zeller.«
    »Nein, du Brotgehirn. Der wollte was von mir, aber ich hab gesagt, das läuft nicht.«
    »Steffi!«
    »Na gut. Erst fand ich ihn schon voll süß, aber das hat doch keine Zukunft. Er wollte sich scheiden lassen, wenn ich volljährig bin. Aber das sagen die immer. Nachher sitz ich da wie meine Mutter: mit Kind und ohne Mann. Und wer nimmt mich dann noch? Ich will eine ordentliche Familie haben mit Hund und so. Das versteht er, hat er gesagt, aber jetzt läuft er immer mit Hundeblick hinter mir her. Und total eifersüchtig war er auf den Jürgen. Wozu der den Camcorder braucht und was wir in der AG machen. Dann ist er zum Direx, damit der dem Jürgen die Esoterik-AG verbietet.«
    Am liebsten wäre ich sofort zur Schule marschiert und hätte mir die Herren vorgeknöpft, aber erst mal musste ich die Kinder entlohnen. Außerdem waren wir an der Eisenbahnbrücke angelangt. Die Bahnlinie umrundete am Hang des Schnarrenbergs die Schrebergartenanlage am Neckar zu unseren Füßen. Zampano nahm den Zehner ohne Zögern. Persephone lehnte ab. Birte griff zu. Fickfehler war uns unterwegs abhandengekommen.
    »Und ich?«, zappelte Steffi.
    »Wir verrechnen es mit deinen Schulden«, sagte ich.
    Sie war völlig geschockt. Dann schnappte sie Birte kurzerhand den Schein aus den trägen Fingern. »Du schuldest mir auch noch was.«
    Birte ging mit Fäusten auf Steffi los. »Das ist meine Kohle.«
    Steffi bretterte zurück. »Du hast doch gar keine Information dafür gegeben.«
    Birte trat. »Du bist nicht mehr meine Freundin!«
    »Darauf kann ich sowieso verzichten«, kreischte Stef fi.
    »Intelligenzallergiker!«, kommentierte Persephone und verabschiedete sich. Zampano griff Birte am Arm und zog sie mit sich.
    »Haut nur ab!«, brüllte Steffi. »Geht nur alle. Ich scheiß auf euch!«
    »Musst du es mit allen verderben?«, erkundigte ich mich. »Nur wegen der Scheißkohle?«
    Sie hielt mir mit funkelnden Augen den Zehner unter die Nase, den sie Birte abgenommen hatte. »Und wovon soll ich essen? Hä? Kannst du mir das mal sagen? Du hast so viel Geld, dass du nicht mehr weißt, wohin damit. Dir ist das egal, aber ich …« Sie brach plötzlich in Tränen aus und schluchzte die ganze Misere heraus. Vor einem Jahr hatte die Mutter Fernseher und DVD-Rekorder auf Pump gekauft. Dann ging die Waschmaschine kaputt. Das Verkäuferinnengehalt reichte nicht. Die Versandhäuser schickten ihre Eintreiber. Der Gerichtsvollzieher kam. Die Mutter gab die Kohle für Zigaretten und Alkoholika aus. Der Kühlschrank war immer leer, die Mutter sowieso kaum zu Hause, weil entweder schaffen oder bei ihrem Freund, der auch nichts hatte, aber soff, weil arbeitslos. »Und ich kann sehen, wo ich mittags ’ne Pizza herkriege und

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