Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
der kanadischen Grenze meine Spur aufgenommen und würde mir seitdem wie ein Schatten folgen, wie ein Gerücht, von der schneeweißen Einsamkeit Dakotas bis hier herunter in die Staaten der kleinen Ortschaften und der kleinen Leute, warnte mich nun auch dieser gemütliche Farmer, von dem ich es zuallerletzt erwartet hätte, vor dem
cougar
. So friedvoll wirkte das Farmland ringsum, so ganz und gar von Menschen bestelltund beherrscht, daß mir der Gedanke, im Feldgraben dort, hinterm Heuhaufen, im Busch da drüben könne ein Berglöwe auf der Lauer liegen, schwer einging. Aber der Farmer zeigte auf ein nahes Wäldchen: «Gleich da drüben ist einer gesehen worden. Keine Sorge, der ist mit den Hirschen beschäftigt und mit dem Vieh auf den Weiden.» Das war tröstlich, aber darauf war kein Verlaß. Ich stieg ein und dachte an den Jungen auf dem Indianerfriedhof und das Bündel in meinem Rucksack. Ich würde es wieder hervorholen, meine Hand in der Jackentasche hatte wieder etwas zu spielen am Bügel, am Schaft, am warmen, geschmeidig gescheuerten Metall.
    Der Farmer fuhr jetzt an Oakland vorüber, und als ich ihn fragend ansah, sagte er, er bringe mich zum Motel, dem einzigen weit und breit, etwas abseits des kleinen Ortes. Ich ließ mir den Weg beschreiben und bat ihn, gleich hier zu halten, ich wolle sehen, ob ich in Oakland etwas zu essen bekäme.
    Ich fand einen Saloon, stellte mich an die Bar und war in Skandinavien. Neben mir nahmen graugelockte Schwedinnen ihr amerikanisches Abendbrot ein, Cheeseburger, French fries und ein züchtiges Abendbier
light
. Eine der Damen war sehr alt, man half ihr vom Barhocker, als sie ging, aber ihre Frisur saß tadellos. Und im kleinen Flutlicht des Billardtisches standen Nordmänner beisammen und unterhielten sich über Maispreise und Traktoren und über die Angelegenheiten der kleinen Gemeinde. Hamsun-Figuren auch sie, aber die anderen – die im Halbrund stehen oder weitergehen, wenn der Landstreicher kommt.
    Nickend nach allen Seiten grüßte ich die guten Leutevon Oakland und bestellte Taco-Salat und Kaffee, und es dauerte nicht lange, da war ich mit Doug in ein Gespräch über sein Leben als Rodeoreiter vertieft. Er saß auf dem Barhocker neben mir, ein nicht mehr junger, aber schlanker, muskulöser Mann im engen, karierten Cowboyhemd, vor sich ein Bier. Das Auffälligste an ihm waren seine hauteng sitzende Schildkappe und die senkrechten Ausläufer seines Schnurrbartes. Einen so dschingiskhanhaften Oberlippenbart hatte ich seit den siebziger Jahren nicht mehr gesehen. Und was die Kappe anging, so trugen sie viele hier, nahmen sie aber im Laufe eines Gesprächs immer wieder mal ab, um sie neu zurechtzuschieben oder sich mit den Fingern durchs Haar zu fahren, eine ausgreifende Männergeste am Steuer oder an der Bar. Doug nahm seine Kappe nie ab. Er schien mit ihr verwachsen, sie saß ihm auf dem Kopf wie eine zweite Haut. Mancher Skalpierte hatte sich so eine engsitzende Mütze zugelegt, um den Makel der verlustig gegangenen Kopfhaut zu verbergen.
    Doug war herumgekommen im Westen – ein Reiter, nur daß er keine Wildpferde zuritt. Er ritt Bullen. Damit, erklärte er mir, habe er in der Armee angefangen. «Bullenreiten galt als Armeesport. Zweiunddreißigtausend Dollar für acht Sekunden, darum geht es. Ein Seil wird um den Bullen geschlungen, solange er im engen Pferch steckt, daran hältst du dich fest, das ist alles, kein Sattel, nichts. Handschuhe brauchst du und dieses Zeug, mit dem du die Hände einschmierst. Es verklebt die Hand mit dem Handschuh. Hinterher musst du jeden Finger einzeln losbrechen. Du sitzt auf dem Bullen, das Tor fliegt auf, der Bulle rast los. Schaffst du es,dich acht Sekunden oben zu halten, gehst du mit zweiunddreißigtausend Dollar nach Hause. Es ist mehr eine Sache der Technik als der Kraft. Aber in den Händen mußt du Kraft haben, sonst bleibst du keine Sekunde oben.»
    Reich geworden sei er damit nicht, sagte Doug. «Du reist herum, von Rodeo zu Rodeo. Viele Male trittst du an, jedesmal zahlst du die Startgebühr, Tausende Dollar alles in allem, und einmal siegst du.» Er ließ ein extrabreites Lächeln sehen. «Aber ich habe meine Zähne noch alle. Viele Rodeoreiter können das nicht von sich sagen. Und meine Knochen sind auch noch ganz, obwohl mich mal ein Bulle dreißig Fuß weit geschmissen hat.»
    Doug gab ein Bier aus, dann gab ich eins aus, dann sagten wir einander: So, Zeit zu gehen. Er bot mir an, mich zum Motel zu fahren, ich

Weitere Kostenlose Bücher