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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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lehnte ab, er beschrieb mir den Weg genau, und ich verschwand in der Dunkelheit, das Lachen der siebziger Jahre vor Augen. Typen wie Doug gab es in den Städten schon lange nicht mehr, eine ausgestorbene Art. Er aber zog durch die Rodeo-Arenen zwischen dem Missouri und dem Texas Panhandle, lebte sein Leben und scherte sich einen Dreck darum, was man anderswo über Männer wie ihn dachte.
    Er habe seiner Frau das Bullenreiten beigebracht, hatte er noch gesagt, und ich stellte mir die beiden vor, im taillierten Cowboyhemd. Schlank war sie geblieben wie er, kein Zweifel, und ihr Haar trug sie sicher lang. Gewiß wurden Doug und seine Frau bewundert, wo sie auftraten, die Leute hier mochten solche Paare, abends im Motel war das Fernsehen voll davon – Politiker, Prediger,Showleute, und an ihrer Seite stets ein
american girl
, eine Frau aus dem
american heartland
.
    Ich hatte Doug erwartet. Auf meiner Wanderung durch Nebraska hatte er sich allmählich materialisiert, war aus dem Dunst aufgetaucht wie eine Figur aus einem der rotstichigen Western meiner Kinojugend. Er war der Nebraskamann. Er hatte eine Farm, ein paar Pferde, er liebte es, fischen zu gehen und zu jagen, er hatte seinen eigenen See und ein Haus unten in Oklahoma.
    Ich ging durch die Nacht, bis ich ein Licht sah – das Motel. Kein Auto stand davor. Aus keinem der Zimmer fiel ein Lichtschein. Kein Concierge ließ sich blicken. Es gab keinen, nur eine Holztafel am Eingang, an der hing ein Dutzend kleiner weißer Briefumschläge, jeder enthielt einen Zimmerschlüssel und einen vorgefertigten Zettel. Auf der Tafel stand, man solle sich ein freies Zimmer aussuchen und am anderen Morgen den ausgefüllten Zettel mit der Kreditkartennummer hinterlassen.
    Ich schlief unruhig und erwachte hungrig aus heillosen Träumen. Der Tag gestern war grau gewesen, dieser war dunkelgrau. Es würde Regen geben, er setzte schon ein. Ich fand die 77 wieder und lief nach Süden.
    Nachtasyl
    In die Stadt Fremont hinein führte eine lange Straße, gesäumt von Häusern im amerikanischen Vorortstil unter alten Bäumen. Manche waren aus trutzigem Felsstein errichtet, einige zierten Portale, getragen von blendend weißen Säulen, wieder andere standen wie verarmte Vettern da, doch war Pracht eher die Ausnahme. Die Mehrheit der Häuser von Fremont war weder ausnehmend häßlich noch einnehmend schön, sie fügten sich ins Frühlingsgrün, das war der Schönheit genug getan. Häuser eben, nichts für die Ewigkeit, man kaufte und verkaufte sie, zog ein und zog wieder fort. Eine amerikanische Konstante – bevor er zum Missouri aufbrach, hatte der Prinz zu Wied einige Städte des Ostens besucht, und ich erinnerte mich an das, was er dort 1832 beobachtet hatte: «In der Nähe der Stadt gab es eine Menge von hübschen, zum Teil geschmackvollen Land- und Gartenhäusern, und so wie die Zahl derselben abnahm, traten einzelne Wohnungen der Bauern oder Pflanzer an ihre Stelle. All diese Bauernhäuser sind leicht von Holz erbaut, mit Brettern benagelt, mit Schindeln gedeckt.» Oft, fuhr er fort, stünden sie «ohne irgendein Fundament auf dem Boden; sie waren zum Teil nur mit Steinen oder Blöcken unterlegt. Die Wände selbst großer Gebäude dieser Art sind außerordentlich dünn, und man sollte glauben, daß sie für die kalten Winter dieses Landes zu leicht sein müßten.»
    Hundertachtzig Jahre sind seitdem vergangen, und genauso ist es geblieben. Die Amerikaner und ihre Häuser, das ist keine Liebe fürs Leben, es ist eher so, wie man sich einen Anzug kauft oder ein Auto. Hatte Goethe recht, hat Amerika es besser als unser an alten Häusern, alten Ideen hängender Kontinent? Darauf fand ich keine Antwort, es blieb eine Frage von Haltung und Herkunft.
    Manche Häuser von Fremont kehrten die Gesinnung oder den Glauben ihrer Herren hervor, durch patriotische Beflaggung oder mit dem Bekenntnis gleich auf der Haustür: «Got faith? We do!» Glaubst du? Wir schon! Mir schien es, als nähme dergleichen zu, je weiter ich nach Süden kam. Doch eines blieb gleich: die amerikanische Absence. Herrgott, wo waren sie alle, wer lebte in all diesen stillen Häusern, wer mähte den Rasen, lenkte das große Auto, das in der Einfahrt stand, führte den Hund aus, der mich anbellte oder mir mißtrauisch nachknurrte, und wer nähme wohl in all den Korbstühlen all der Veranden Platz, wenn es einmal Zeit wäre, dort zu sitzen? Zu sehen oder wenigstens hinter einem Fenster zu erahnen war so gut wie niemand.
    Ich

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