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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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saßen sie im schwarzen Geäst, Gestalten in einer Tuschezeichnung, alle gegen Süden, gegen den Wind. Immer, wenn ein Tiertransporter an mir vorbeiraste auf seinem Weg zum Schlachthaus, betäubte mich ein scharfer Gestank von Rind, Schwein und Angst. An Zäunen warb Jeff Leikam für seine Wahl zum Sheriff. Der Kiefernhain einer Farm gewährte mir ein paar Minuten in seinem Windschatten, beim vorigen Versuch hatten mich Hunde verjagt. Am späten Nachmittag erreichte ich Marysville. Es war Karfreitag.
    Bevor das letzte Café auf der Broadstreet schloß, holte ich mir etwas zu trinken und sah dem Wind zu, wie er mutwillig Staubwolken durch die Straßen trieb; er war immer schon da, wohin ich auch kam. Ein alter Herr parkte seinen Jeep vor dem Saloon, den auch ich aufsuchen würde, später. Diese roh gezimmerten, von außen unscheinbaren, aber innen großzügigen Holzschuppen, in denen Männer in Stiefeln und Perlmuttknopfhemden und mit weißen Cowboyhüten an der Bar den immergleichen Cowboyballaden lauschten oder sich bei Tisch über große Teller hermachten, in der Rechten die Gabel, die Linke hing herab, als gelte es, immer eineHand frei zu haben, falls der rasche Griff zum Abzug doch einmal nötig wäre – ich zog diese Orte der blitzsauberen Pettycoatsüße der Diner bei weitem vor.
    Auch der Herr im Jeep trug einen dieser weißen Cowboyhüte, wie sie nun häufiger zu sehen waren, je weiter ich nach Süden kam. Der Hut löste die engsitzende, mit Reklame für eine Firma, eine Mannschaft oder die Armee beschriftete Schildkappe ab, die der Norden bevorzugte, und ich wollte mich gerade fragen, ob dieser Unterschied der zwischen Ranch und Farm war, zwischen dem Stolz des Südens und der leutseligen Gleichheit der kleinen Leute des Nordens, als der übermütige Wind mich ablenkte. Ich erwartete, daß dem alten Herrn, der jetzt aus seinem Jeep kletterte, jeden Moment der weiße Hut vom Kopf fliegen würde, was er nicht tat. Er blieb dort sitzen, als ginge der Wind ihn nichts an. Kansas, Oklahoma, Osttexas, das waren doch die Windstaaten, die Sturmstaaten. Selbst wenn der Wind sich nicht zum Tornado steigerte, der ganze Häuser und Autos durch die Luft wirbelte, blies er heftig, so wie jetzt in den Straßen von Marysville, er blies eigentlich immer, auch an gewöhnlichen Tagen. Warum aber flog hier den Leuten nicht der Cowboyhut vom Kopf? Ich nahm mir vor, mir im nächsten Country Store selber einen zu kaufen, nur um zu sehen, ob auch mir das Kunststück gelänge – und tat es; es gelang mir nicht, der schöne neue Hut flog mir beim ersten Windstoß vom Kopf und in den Staub. Der unerschütterliche Halt des Cowboyhutes auf den Köpfen seiner rechtmäßigen Träger, er blieb ein ungelöstes Rätsel.
     
    Am Karsamstag wollte ich über Blue Rapids nach Waterville gehen. Regen und Donner weckten mich, aber im Süden rissen die Wolken auf, ich wollte es wagen. Das Land, durch das ich lief, war samt und sonders eingezäunt, doch was sich hinter den Zäunen erstreckte, sah aus wie wilde Prärie. Einzelne Eichen oder ein paar Pappeln deuteten auf einen Bach hin, einen Teich, ein Wasserloch. Manchmal stand eine kleine Rinderherde im hohen Gras, hier und da war gemäht worden, aber meist waren der Zaun oder ein in der Ferne sich verlaufender Farmweg die einzigen Zeichen, daß das ungeheure Land jetzt einen Herrn hatte. Brennholz lag da, in der Prärie gesammelt und zu Haufen geworfen wie in den Tagen der ersten Siedler und ihrer Claims.
    Einer der alten Farmer im «Grand Hotel» hatte mir erklärt, was das war, ein Claim, dieses amerikanische Zauberwort in den Ohren europäischer Habenichtse – wie die große Landnahme in den Plains funktioniert hatte. Sein eingewanderter Großvater hatte sich, wie Millionen andere, ein Stück Land ausgesucht, hundertsechzig Acres, das entsprach fünfundsechzig Hektar, sie standen jedem Siedler zu. Mit ebendiesem Landversprechen waren sie in Europa geworben worden. Was der Großvater zu tun hatte, um dieses Land zu besitzen, war, zum örtlichen Landbüro zu gehen, um dort sein Claim, also seinen Eigentumsanspruch, zu zeichnen. Nun hatte er fünf Jahre Zeit, um zu beweisen, daß er das Land tatsächlich bestellte und in Besitz nahm. Er mußte ein Haus darauf errichten, eine rohe Hütte aus Holz und Grasplacken genügte, sich wenigstens die Hälfte des Jahres dort aufhalten und das jungfräuliche Prärieland pflügen. Tat erdas, bekam er das ausgesuchte Land überschrieben und war nun ein

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