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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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abbrechen und das größte Expeditionsheer der Neuen Welt heimführen als einen Haufen zerlumpter, enttäuschter Goldsucher? Das kam nicht in Frage. Weiter, weiter bis zum bitteren Ende. Und wenn es kein Gold gab, vielleicht gab es etwas anderes in Quivira.
    Viele seiner Soldaten waren bankrott, sie blieben ausScham im Norden und kehrten nicht nach Mexiko heim. Coronado mußte sich dort einer Untersuchung stellen, einem Richter. Man behandelte ihn milde, die Anklagen gegen ihn als Führer der Expedition wurden fallengelassen, aber er blieb ein gescheiterter Mann. Zwölf Jahre nach dem größten Abenteuer seines Lebens starb er in Mexiko-Stadt.
    Vielleicht kam Coronado zur falschen Jahreszeit. Im Frühsommer war die Prärie grün. Jetzt war sie vergilbt, aber wenn die Sonne sank, wie sie es gerade tat, dann war die Prärie golden, ein einziges Goldbraun, im Winde bewegt. Hätte es Coronado zu denken gegeben, das Land so zu sehen? Wäre er nur etwas länger geblieben, bis der Sommer sein Glutwerk getan hatte, er und seine Spanier hätten in einem Meer aus wogendem Gold gestanden, das sich vom Ufer des Missouri im Osten bis zu den Rocky Mountains im Westen erstreckte, von den nördlichen Eiswüsten bis an die Ränder Neuspaniens im Süden.
    In seinem Bericht erwähnte Coronado zwar das fruchtbare Land, aber ihm fehlten alle Voraussetzungen, um das Grasland, das er der spanischen Krone unterstellte, wirklich in Besitz zu nehmen: sichere Verbindungswege, eine Kette von Forts und vor allem Bauern, die in der fernen Wildnis gesiedelt hätten. Seine Spanier, kühn genug, erstmals so tief ins Innere Nordamerikas vorzustoßen, waren Adlige und Soldaten, keine Bauern und Siedler. Sie gingen auf Goldraub aus, nicht auf Landraub.
    So erging es auch den ersten Nordeuropäern. Viele kamen als Goldsucher, andere als Sektierer. Die Goldfundein Kalifornien vor Augen oder das Mormonenparadies am Großen Salzsee, wagten sie den Marsch durch die Prärie – diese selbst war ihnen nur eine schreckliche Prüfung auf dem Weg dorthin. Erst allmählich verstanden sie, arme Schlucker aus England, Deutschland, Skandinavien, Böhmen, was sie unter den müden Füßen hatten: Land, fruchtbares Land, soviel sie nur pflügen konnten.
    Die Prärie hatte die Spanier besiegt. Erst die Nordeuropäer besiegten die Prärie, darum lief ich nicht durch Neuspanien, sondern abwechselnd durch Neuengland, Neudeutschland, Neuschweden, Neuböhmen. Eines aber konnten die fleißigen protestantischen Landnehmer dem grandios gescheiterten katholischen Goldsucher nicht nehmen – ihm blieb der Ruhm. Generationen bevor die Pilgerväter an der amerikanischen Ostküste landeten, zu einer Zeit, als der strenge Calvin Genf reformierte und in Rom der Petersdom gebaut wurde, entdeckten Don Coronado und seine Spanier den Grand Canyon und durchquerten die Great Plains.
     
    Der erste Tagesmarsch Richtung El Dorado führte mich nach Council Grove. Je weiter südlich ich kam, desto deutlicher sah ich: Ganz spurlos war der tollkühne spanische Vorstoß nicht an Amerika vorübergegangen. Auf weißen Veranden wiegten sich weiße Schaukelstühle und Schaukelbänke im Wind. Die Häuser waren mit schlanken weißen Säulen geschmückt, mit zierlichen Holzborten, Türmchen und Kuppeln   – Dinge, die kein Yankee brauchte, hier gab es sie im Überfluß. In Council Grove endete das allzu strenge, allzu pure Amerika, dasSchönheit ansah wie einen Makel, und das Reich des schönen Nutzlosen begann.
    Ich fand Quartier in einer solchen Villa, und als ich mich auf der Veranda niederließ, um auch ein wenig zu schaukeln, blieb ich nicht lange allein, bald schaukelten zwei andere Männer mit, ein großer Gutaussehender und ein kleiner Drahtiger, allem Anschein nach Politiker. Aus ihrem Gespräch ragten Worte von höchster Wichtigkeit heraus – «Democrats», «Republicans», «Speaker of the House» – und aus den Hosenbeinen ihrer Anzüge Cowboystiefel, aber welche mit bequemen Gummisohlen. Ständig wurden die beiden von einer Frau mit signalroten Lippen und Fingernägeln fotografiert, zweifellos die Pressedame. Als sie aufstanden, grüßte der Gutaussehende herüber – eine vertraute Geste, jeder Politiker auf der Welt grüßt herüber, geht er doch davon aus, daß jeder ihn kennt. Ich grüßte zurück und sagte: «Nichts für ungut, ich belausche Sie nicht, ich bin von weit her.» Er fragte, woher denn, und zog auf meine Auskunft hin den deutschen Satz hervor, den er für solche

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