Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
Vom Netzwerk:
Gelegenheiten bei sich trug. Nun trat ein dritter hinzu, gewiß der persönliche Referent, und bedeutete den Herren, man müsse an Weiterfahrt denken – der nächste Termin. Dann waren sie fort.
    Ich schaukelte in der Abendsonne, und als die Wirtin herauskam, sprach ich sie auf die leeren Veranden im Norden an. «Ja», sagte sie, «die Leute im Norden sitzen nicht auf ihrer Veranda, zu lange Winter, zu kurze Sommer, die sind das nicht gewöhnt.» Sie sei aus dem Süden und nur ihres Mannes wegen hierhergezogen. «Ich könnte keine Meile weiter nördlich leben.» Icherzählte ihr von den Warnungen vor dem Süden, zumal vor Texas, die ich im Norden gehört hatte. Sie lachte. «Texas, das sind Cowboys. Tragen große Hüte, fahren große Trucks. Na ja, zu Fuß gehen können Sie dort nicht, die Ranches sind riesig, die Entfernungen viel zu groß. Aber keine Sorge – freundliche Leute da unten.»
     
    Der nächste Tagesmarsch mußte warten, denn ich lernte Ken und Ron kennen. Ken war Jäger, Rons Leidenschaft galt der Vogelbeobachtung. Den ganzen Tag verbrachte ich mit den beiden draußen im Gras und im Wald. Ken hatte früher mit dem Gewehr gejagt, jetzt jagte er mit dem Bogen, einem modernen, technisch ausgefeilten, er war kein Folklorist. Der Bogen, sagte er, sei die größere Herausforderung. «Du kannst dich nicht einfach im Busch auf die Lauer legen und Kugeln durchs Geäst jagen. Du mußt auf den einen Schuß warten, am besten auf einem Baum.»
    Auch diesmal dauerte es nicht lange, bis das Gespräch auf Berglöwen kam. «Einmal ging ich frühmorgens auf die Jagd, an einem Bach, da sah ich eine Spur auf dem feuchten Boden, ganz frisch. Plötzlich standen mir die Haare zu Berge, ich wußte, da ist etwas, hinter mir, es beobachtet mich. Ein Puma war ganz nahe.»
    «Wie ging es weiter?»
    «Gar nicht. Sie haben einen Wanderradius von vier-, fünfhundert Meilen, sie sind immer unterwegs. Und sie sehen dich lange, bevor du sie auch nur ahnst. Sie sehen dich immer, du siehst sie nie. Und wenn du doch mal einen siehst, ist es zu spät, dann bete oder schieß, wenn du kannst. Ich würde so gern einmal einen sehen.Ach was, allein zu wissen, es gibt sie, sie sind hier, macht mich glücklich. Nur Rednecks wollen alles abschießen, was ihnen vor die Flinte kommt.»
    «Was ist eigentlich ein Redneck?»
    «Einer, der das Wild von seinem Pickup aus jagt, der Wölfe vom Flugzeug aus ortet, um sie abzuknallen, der Kojoten mit einer Greyhound-Meute so lange hetzt, bis sie zusammenbrechen und von den Hunden getötet werden.»
    Ron hatte während des leise geführten Gesprächs unentwegt Vögel bestimmt und deren Namen in ein Heft notiert. Sein Murmeln drang herüber, er schien jeden einzelnen zu kennen: «Carolinataube. Schwarzkopfmeise. Und sieh da, ein Rötelreiher fliegt auf. Da drüben ein paar Hüttensänger. Hört ihr den Specht?»
    Wir verließen den Wald mit seinen mächtigen Pappeln und Eichen und liefen durch Grasland. Ken hatte etwas entdeckt. Tierlosung. Er hob ein Stück auf, brach es, betrachtete die Bruchstelle. «Kojote. So haben wir ihn zwar nicht selbst gesehen, aber immerhin seine frische Spur.» Im hohen Grase stehend, auf die Geräusche der Prärie horchend, kamen wir auf ihre verschiedenen Tonarten zu sprechen. Jetzt, in der Zeit des sandgelben Grases, klang die Prärie hell, trocken, leicht reibend. «A hiss», schlug Ron vor, ein Gezisch. Im Sommer, wenn die Prärie grün sei, sei alles ein einziges Rascheln und Rauschen.
    Die beiden erwähnten einen rätselhaften Steinhaufen unweit von Council Grove, eine Stele oder Pyramide aus verwitterten Kalksteinen, aufgeschichtet von Menschen, weit älter als die kleine Stadt. Die Geschichte, diedarüber erzählt wurde, ließ mich aufhorchen. Dreihundert Jahre bevor der erste weiße Siedler hier aufgetaucht war, sei ein Priester aus dem fernen Mexiko in diese Gegend gekommen, den ganzen weiten Weg vom Rio Grande durch die Prärie zu Fuß, ein Franziskaner. Geboren in Andalusien, war er nach Neuspanien gegangen, hatte sich dort als talentierter junger Mann erwiesen und zuletzt einem Kloster im Westen Mexikos vorgestanden. Als der Vizekönig eine große Expedition in den damals noch unbekannten Norden ausrüsten ließ, natürlich ging es um Gold, schloß der Priester sich dieser an, zusammen mit drei Ordensbrüdern. Nach zwei Jahren kehrte die Expedition erfolglos und dezimiert zurück, ohne den jungen Mann – er ging zurück in die Prärie, diesmal auf eigene Faust,

Weitere Kostenlose Bücher