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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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abgeben würde. Fahrtüchtig schien er aber zu sein. Flott ging es aus Wichita hinaus und auf die Interstate, und irgendwann rief der Fahrer: «We’re leaving Kansas! Oklahoma state line!» Der junge Schwarze im Sitz vor mir murrte: «I wanna see Texas state line.»
    Die Jungen hatten Musik auf dem Ohr, die Älteren dösten, etliche Frauen mittleren Alters waren an Bord, ich hatte Muße, ihre grauen Gesichter zu betrachten, fast alle trugen ihr strähniges Haar zu Pferdeschwänzen gebunden. Ich sah hinaus. Kansas war landschaftlich bewegt gewesen, fast modelliert, einem Europäer beinahe vertraut – sanft hügelig, hier und da bewaldet. Das nördliche Oklahoma, in das wir jetzt hineinfuhren, war flach wie Dakota, es ging zurück in die Great Plains. Im selben Moment, als ich das dachte, fuhr der Bus rechts ran und rollte in einer Haltebucht aus, der Motor erstarb, der Fahrer sprang hinaus.
    Zwei, drei Sekunden Stille, dann ging es los. Der Rap ging los und stand nicht still in den nächsten Stunden. Es begann mit dem Ruf aus einer der vorderen Reihen, in die Stille hinein: «The fucking bus broke down!» Der Scheißbus ist zusammengebrochen. Der Junge vor mir, der lieber in Texas sein wollte, fiel augenblicklich in einen Klagegesang, heulend, fluchend, schrie in den Bus, schrie ins Telefon: «Shit, man, I’m in the middle of nowhere, man!»
    Ein anderer schrie: «Wo ist der verdammte Fahrer?»
    Noch ein anderer schrie: «Weggelaufen, hat die Hosen voll!»
    Der verdammte Fahrer kletterte zurück in den Bus. «So», rief er, «Zigarettenpause, alles aussteigen, ein Ersatzbus kommt!»
    Nun drängte alles hinaus, schnatternd, schimpfend, maulend. Etliche junge Kerle waren an Bord, solche mit gefährlichen Mienen, Mützen, Kapuzen, mit breiten Hosen und breiten Gesten – in der Sekunde, in der der Busmotor sein Leben ausgehaucht hatte, waren sie zu einem Haufen jammernder Kinder geschrumpft. Über allem klagte, heulte, fluchte die helle, überdrehte Stimme des schwarzen Jungen aus der Bank vor mir. Er hatte sich ein Piratentuch eng um den Kopf gewickelt, darüber trug er die schwarze Standardkappe und dazu ein Dallas-Cowboys-Shirt. Sein Redesturz entlud sich mit der Naturgewalt einer Schüttelattacke. Er konnte nicht anders, ins stoßweise Reden zu fallen, war seine Art, auf die Buspanne zu reagieren. Immer tiefer fiel er in seine Rap-Trance und schrie heraus, was er schreien mußte, ein eruptiv plapperndes Medium dieses lächerlichenZwischenfalls. «Shit, man. The fucking bus broke down, man. Fourty miles to Oklahoma City, man. Shit, man. Fucking bus, man. Wanna see Texas, man. Dallas, Texas. Holy shit.»
    Erste Informationen über die Ursache der Panne machten die Runde. Die Kühlung sei ausgefallen, der Ventilator kaputt. Nun sammelte sich alles vor der offenen Kühlerklappe, der Ventilator wurde betastet, der lose herabhängende Keilriemen, jeder führte das große Wort, ob er etwas davon verstand oder nicht, bis einer sagte: «Kühlung kaputt, Motor überhitzt, klar.» Motor überhitzt, das klang fachmännisch, es ging von Mund zu Mund, man einigte sich darauf.
    Nun trat ein älterer Fahrgast hinzu, der wirklich etwas von der Sache verstand. Er zeigte auf eines der Rädchen, über die der Keilriemen lief, es war gebrochen. Er sagte, er habe den Busfahrer in Wichita auf das kaputte Teil hingewiesen, aber der sei weitergefahren, was zu neuer großer Aufregung führte. Alle zückten ihre Mobiltelefone und fotografierten den schlaff und nutzlos herunterhängenden Riemen und auch die kaputten Lampen und die Risse im Blech, sie umkreisten den armen Bus wie ein Schwarm Gerichtsmediziner. Als sie die Lust an der Beweismittelsicherung verloren, stellte sich die anfängliche Ratlosigkeit wieder ein.
    Ein junger Weißer hatte, als der Bus in der Parkbucht ausrollte, seine Kappe gegen ein vorwitziges Hütchen getauscht, das er offenbar für besondere Lagen bei sich führte, damit lief er nun hin und her wie ein unruhiges, panisches Tier, seinen Radius von Mal zu Mal ausweitend, bis ich ihn an einem schwarzen Van sah. DessenScheiben, soviel erkannte ich aus der Entfernung, waren von innen verhangen, mit Handtüchern, wie es schien. Der Junge hatte offenbar irgendetwas entdeckt. Feixend und prustend kam er angerannt, lief zum erstbesten und erzählte es ihm. Lief von einem zum anderen, aber nur zu den Männern, nicht zu den Frauen. Ich stand abseits, schließlich kam er zu mir. Er zeigte auf den Van, machte eine drastische

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