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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Trotz über einen wachen praktischen Sinn verfügte, der es ihm gestattete, in solcher Lage einen ingenieurmäßigen Blick auf die Dinge um sich herum zu werfen. Kühl beobachtete er, was auf dem Flugfeld geschah oder eben nicht geschah, und kommentierte die großspurigen Ansagen, die hier drinnen von Zeit zu Zeit über Lautsprecher an uns Passagiere gerichtet wurden, mit stechendem Spott. In einem sonoren, unnachahmlich leutseligen Ton versicherte man uns ein ums andere Mal, alles zu tun, um das kleine Problem in der nächsten halben Stunde zu lösen und uns sicher heimzubringen, «home for christmas». Und auf einmal wußte ich, hier am Fenster standen zwei aus der Nation genialer Ingenieure und schauten der Nation genialer Verkäufer dabei zu, wie sie es hinkriegten, uns alle bei Laune zu halten seit so vielen Stunden, ohne daß erkennbar etwas anderes funktionierte als der Lautsprecher. Kopfschüttelnd schauten wir zu – und staunend. Wir bauten Maschinen, einige der besten der Welt. Sie aber verkauften Träume, die erfolgreichsten der Welt. Damit waren sie weit gekommen. Aber wie weiter?
    Waxahachie
    Nach Waxahachie gehen hieß den Süden betreten in seiner ganzen Herrlichkeit und Maienblüte. Wäre ich blind gekommen, blind für die rotflammenden Kastanien, für die Magnolien und Judasbäume in den schattigen Straßen und hätte kein Auge gehabt für die Lilien-Exaltationen und Rhododendron-Detonationen in den Vorgärten und die stillen Herrenhäuser dahinter, für ihre säulengestützten Giebelfriese und das jubelnde
«
He is risen!» in einem von ihnen – Waxahachie, allein die liedhafte Süße dieses Namens hätte es mir verraten: Du bist hier! Hinter dir liegt der Westen, der Norden. Hier ist Süden, das Land von Rosenduft und Waxahachie.
    Als ob die amerikanische Sprache mit ihrem großen Vorrat an einsilbigen Wörtern und ihrem Naturtalent für kurze, eingängige Hits, Schlagzeilen und Werbesprüche sich auch einmal austoben müsse in verschwenderischer Vokalität – so flog ab und zu ein solcher meist indianischstämmiger Name auf, ein solches Zauberwort. Bevor Amerika gezähmt und in Nutzland verwandelt worden war, hatte es hier einen Papagei gegeben, die einzige nordamerikanische Art. Wie dieser bunte Louisianasittich flatterte Waxahachie über der Schar einsilbiger, wenn es hoch kam, zweisilbiger Spatzenstädte ringsherum. Joplin. Ferris. Frost. Fort Worth, Dallas, Hurst.
    Mitten in Waxahachie stand das Gerichtsgebäudeaus rotem Texasgranit und davor, auf sein Gewehr gestützt, ein junger konföderierter Soldat aus grauem Stein. «Den Toten und den Lebenden von Ellis County zu Ehren» war in den Sockel gemeißelt. «Sie trugen das Grau. Banner mögen sinken, doch Heldentum lebt ewig.» Ellis County war hier, das Grau war die Uniform der Südstaatenarmee gewesen, das Denkmal hatten «die Töchter der Konföderation» gestiftet. Es ging mir wie immer vor Sockeln des Heroismus – wurde einer Niederlage gedacht, stand alles in einem anderen Licht, als ob erst ein Tropfen Bitterstoff das Pathos erträglich machte und, mehr als das, anziehend, anrührend, wahr.
    Ich ging die Straße der Herrenhäuser hinab und auf eines zu, jemand hatte mir gesagt, man vermiete dort Zimmer. Ich schellte mehrmals vergebens, aber schließlich erschien doch noch die Dame des Hauses. Sie habe sich, sagte sie, einen Film angeschaut und mich darum nicht gleich gehört. Obwohl nicht mehr jung, trug sie ein tailliertes Kleid und verschwenderisch blonde Locken. Sie bat mich einzutreten und stellte mir mangels lebender Bewohner des Hauses – «nur meine Enkel sind zu Besuch, aber jetzt gerade unterwegs» – einige bedeutende Möbel vor. Den großen Lesetisch in der Halle mit Handbibliothek unter der Platte – «edwardianisch, aus London». Im Zimmer dann machte sie mich mit dem einladend ausladenden Bett bekannt – «spätes 19.   Jahrhundert» – und mit dem ehrwürdigen Deck Chair – «original von der ‹Queen Elizabeth›». Ein Messingschild, «First Class only», bestätigte es.
    Das Zimmer war ganz der Erinnerung an Kreuzfahrten auf der «Queen» gewidmet. Fotografien zeigtendie reiselustige Familie, in Deckstühlen ruhend, die Herren in Halbschuhen, Kniestrümpfen und Knickerbockern, die Damen in den sachlich-eleganten Kleidern und Topfhüten der zwanziger Jahre. Die Kinder fuhren auf Dreirädern übers Deck, an Rettungsbooten entlang. Bevor sie sich zurückzog, erwähnte die Dame ein deutsches Ehepaar, das

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