Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
1000 Stücke. Er erlebte das als erneuten tiefen Verlust. Fortan erschien er gänzlich haltlos, obwohl seine Mutter nach dem endgültigen Bruch mit dem Vater alles tat, um W. und seinen beiden Brüdern emotionale Sicherheit zu bieten. W. drehte mehr und mehr ab. Er kiffte exzessiv, provozierte sein gesamtes soziales Umfeld, übertrat jede gesetzte Grenze, hatte ohne Unterlass markige Sprüche parat und gebärdete sich nach außen generell wie der »King« persönlich. Seine Mimik, seine Gestik und sein Gang sprachen Bände. Je unsicherer und verletzlicher er sich tief in seinem Inneren fühlte, desto mehr drehte er auf. W. veränderte sich spürbar in seinem Charakter. Seine ursprüngliche Liebenswürdigkeit, sein jugendlicher Charme und sein sonniges, strahlendes Gemüt wurden zugedeckt von einer unflätigen Sprache und einem grandiosen Gehabe. Blickt W. mit Abstand auf diese Zeit zurück, klingt das düster:
»Ich fand alles scheiße. Das war mein ständiges Grundgefühl. Alles war saunervig und hat mich angekotzt. Also wollte ich mich ständig nur wegmachen. Durch das Kiffen fühlte ich mich nämlich deutlich leichter.«
Zwar waren seiner Mutter gelegentlich schon seine geröteten Augen und seine verwaschene Sprache aufgefallen, wenn ihr Sohn bekifft nach Hause kam. Doch tat W. das immer ab, indem er seine geröteten Augen auf überlanges PC-Spielen bei Freunden sowie auf seinen Heuschnupfen schob. Es gelang ihm, das tatsächliche Ausmaß seiner Kifferei noch eine Weile im Dunkeln zu halten. Frau K. hatte zwar den sicheren Verdacht, dass da vieles nicht mit rechten Dingen zuging, zweifelsfrei enthüllten jedoch erst W.s Persönlichkeitsveränderungen, welche die Mutter immer stärker alarmierten, wie tief das Kind bereits in den Brunnen gefallen war. Die Mutter hielt sich nicht lange dabei auf, dass eine Welt für sie zusammenstürzte. Sie begab sich umgehend in Beratung, um dem Gegner, der ihren Sohn fest im Griff hatte, die Stirn zu bieten. Frau K. probierte viele Strategien aus der Elternarbeit aus, um das Drama ihres Sohnes nach Möglichkeit zu begrenzen. Sie zeigte sich im Handeln couragiert und entschlossen. Wie alle Eltern Drogen gebrauchender Kinder musste sie erproben, welche Schritte speziell für ihren Sohn geeignet waren, Veränderungen zu bewirken, und über welche er sich kalt lächelnd hinwegsetzte. Frau K. kämpfte mit allen Mitteln, welche sie als Mutter aufbringen konnte, um ihren Sohn. Sie war beharrlich darauf aus, den Gegner Cannabis zu besiegen. Doch blieb ihr ein jahrelanger Leidensweg nicht erspart. Zunächst drehte sich der Cannabisfilm unerbittlich weiter. Ihr Sohn stahl ihr Geld und Wertsachen, was sie dazu nötigte, alles einzuschließen. Er vergriff sich am Hab und Gut seiner Geschwister, welches er vertickte, um seinen wachsenden Geldbedarf für Cannabis zu decken. Für seine Brüder war es niederschmetternd, als auch sie ihre Zimmer verschließen mussten, um weitere Übergriffe abzuwehren. Das moralische »Schuldkonto« von W. stieg sprunghaft an. Da er noch nicht gänzlich gefühlskalt war, spürte er sein schlechtes Gewissen schlagen. Um es zum Schweigen zu bringen, verfolgte er abwechselnd drei Strategien: Entweder er hüllte es in Schwaden von Cannabis ein, oder er zettelte einen Streit in der Familie an, den er so lange eskalieren ließ, bis seine Mutter ihm die Tür zeigte, sodass er der für ihn belastenden Situation vorübergehend enthoben war, oder er wählte die Variante, für einige Tage einen trügerischen Burgfrieden zu wahren, um seine Mutter und die beiden Brüder zu beschwichtigen. In solch ruhigeren Zeiten war er in seinem Wesen begrenzt ansprechbar. Er spürte selbst seine unheimliche Veränderung. Aufkeimende Hoffnungen in der Familie auf positive Wendungen erwiesen sich in schöner Regelmäßigkeit als Strohfeuer, die er durch heftigeres Kiffen denn je zunichtemachte. Hatte er nichts zu kiffen, war er steuerungslos seinen Impulsdurchbrüchen ausgeliefert. Wenn er zu Hause randalierte und seine Gewalt in der Wohnung austobte, fühlte er sich im Anschluss mies und schuldig. Mehrfach betonte er: »Ich habe doch eh nur wieder die Arschkarte gezogen.« Als er sich selbst nur noch ankotzte, fügte er hinzu: »Es wäre besser, ich würde aus dem Fenster springen.« An dem Tag ließ ihn seine Mutter nicht mehr vor die Tür und machte ihm eindrücklich klar, dass sie ihn wegen Eigengefährdung sogar stationär einweisen lassen würde, wenn er sich nicht beruhige.
Lange
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