Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Präferenz für Cannabis sind viele dieser Weltschmerzkonsumenten dennoch nicht abgeneigt, sich auch »in andere Drogenimperien hineinzunaschen«. Die Lebensumstände und biografischen Hintergründe dieser Individualisten streuen zwar stark, doch eines ist ihnen allen gemeinsam: ihre demonstrativ vorgetragene Verachtung und Ablehnung eines Lebens in unserer Gesellschaft in Bausch und Bogen. »Ich will und kann in dieser Gesellschaft nicht leben. Das macht mich krank, so ungerecht ist das alles«, oder: »Ich habe doch hier mit meiner Meinung und mit meinen Wünschen nach Gerechtigkeit ohnehin keine Chance. Am liebsten würde ich auswandern, irgendwohin, wo ich ein einfaches Leben führen könnte, ohne all diese Zwänge und Verlogenheit.« Prinzipiell wird ideologisch gebunden das menschliche Geburtsrecht auf Glück im Leben in Abrede gestellt: »Wie soll es mir hier denn gut gehen dürfen, wenn überall die Welt nur zerstört und alles kaputt gemacht wird?« Im Kern aller Lebensäußerungen finden sich bei diesen Klienten eine tiefe Verzweiflung, ein sie völlig ausfüllendes Leiden an der Welt. Ihr Unglück ist authentisch und daher mit Händen zu greifen und nachzuempfinden. Es ist ausdrücklich kein »Image« und keine »Schauspielerei« in einer »Loser-Rolle«, ganz im Gegensatz zu einer gleichfalls vertrauten Gruppe »notorischer Nörgler« und »Jammerer«, welche mit ihren vorgebrachten Kritiken an der Gesellschaft vorwiegend ihre eigene Denkunlust und Passivität bemänteln, während sie gleichzeitig die von ihnen angeprangerten Strukturen geschickt nutzen, um darin zu leben.
Bei den Weltschmerzklienten wird die Ablehnung der Gesellschaft so weit zur Lebensverneinung an sich generalisiert, dass sie letztlich auch die eigene Person einbezieht. Ihren Drogengebrauch sehen diese jungen Leute als »ideologisch« verursacht, womit sie jedem Hinterfragen eines individualpsychologischen oder familiären Kontextes einen Riegel vorschieben. Jedes sachliche Argument bezüglich ihres Verhaltens kontern sie mit 10 Gegenargumenten. Da sie darin äußerst geschickt und ihre Argumentationsketten rein rational seltenst zu widerlegen sind, argumentieren sie Eltern, Lehrer, Ausbilder, Ärzte und Helfer mundtot. In der Regel geben die meisten Bezugspersonen völlig entnervt auf, was die jungen Leute in ihrer Ansicht bestärkt: »Mit dir ist ja sowieso nicht zu reden. Du verschließt ja die Augen vor allem und willst gar nicht sehen, was Sache ist.« Drogenberatung lehnen sie kategorisch ab, weil sie ihnen nichts bringt. Sie haben schließlich kein Problem mit Drogen, sondern bloß mit der Gesellschaft, die ohnehin nicht veränderbar ist. Folglich brauchen auch sie sich um keine Veränderung zu bemühen. Weil diese jungen Leute in ihrer Weltsicht und der Verweigerung jeglicher Akzeptanz normativer Grenzen als so anstrengend erlebt werden, reißt den Mitmenschen in ihrem sozialen Umfeld leicht der Geduldsfaden, menschlich verständlich, aber kontraproduktiv. Im Grunde handelt es sich bei diesen Cannabisnutzern um im innersten Kern tief nachdenkliche, hochsensible und aufgrund ihrer Feinfühligkeit äußerst liebenswerte Menschen. In ihrer Selbstablehnung wissen sie das alles leider nur zu gut zu verbergen, falls wir nicht dahinterschauen. Sie haben nicht gelernt, beziehungsweise niemand hat ihnen bisher beigebracht, wie sie mit ihrem Leiden an der Welt alternativ umzugehen vermögen, ohne sich selbst als Menschen mit einem Geburtsrecht auf »Glücksfähigkeit« und »Lebensteilhabe« zu verneinen. Die typischen langfristigen Wirkungen chronischen Cannabiskonsums gehen ein perfektes Zusammenspiel mit ihrer inneren Selbststruktur ein.
Es ist auch beileibe keine marginale Gruppe von jungen Leuten, denn aufgrund der tief greifenden Veränderungen in den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ist sie stark im Wachsen begriffen. In Prävention, Beratung und Therapie begegnen sie mir jedenfalls immer häufiger. Es lohnt sich, sie nicht aufzugeben und im Stich zu lassen. Sie sind ansprechbar, wenn es uns gelingt, einen Fuß in die Tür zu ihrer Welt zu bekommen. Gewusst wie, fällt dies sogar ausgesprochen leicht. Da sie gewohnt sind, dass praktisch niemand mehr ihnen zuhört, sind sie schon freudig überrascht, wenn wir uns auf ein Gespräch mit ihnen einlassen. Nicht im Sinn von Diskussionen mit »Totschlagcharakter«, um ihnen ihre vermeintliche Unreife zu demonstrieren, sondern im Sinn eines tatsächlichen zwischenmenschlichen
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