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Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie

Titel: Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: beltz Verlag
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unbemerkt an ihm vorbeigelaufen. Es war, als hätte ein Zeitensprung stattgefunden. Er war innerlich nicht darauf vorbereitet, dass ihm eine inzwischen 16-jährige, sehr hübsche und überaus eigenwillige junge Frau gegenübertrat, die ihn zudem spüren ließ, dass es ihrer Meinung nach noch eine unbeglichene offene Rechnung zwischen ihnen beiden gab. Der Vater sah über Monate hinweg in seiner Tochter noch das bittende 9-jährige Mädchen, das er zurückgelassen hatte. Da prallten Welten aufeinander. Zudem belebte seine Tochter die alte Konkurrenz zwischen sich selbst und »der neuen Frau« ihres Vaters wieder. Als »die Frau« gerade zu dieser Zeit schwanger wurde, blutete die alte Wunde besonders heftig. Die 16-Jährige befürchtete ernsthaft, dass ihr Vater endgültig nichts mehr von ihr wissen wolle, wenn erst einmal »das andere, neue Kind auf der Welt ist«. Sie steigerte akut ihren Cannabiskonsum. Zu diesem Zeitpunkt brachte ihre Mutter sie in Beratung.
    Sobald wir in der gemeinsamen Arbeit auf ihren Vater zu sprechen kamen, brach sie in heftige Tränen aus. Es war deutlich spürbar, wie tief die erlittene Verletzung saß. Ich setzte ihr zur Bedingung, deutlich weniger zu kiffen, um einen klareren Kopf für die anstehenden Auseinandersetzungen zu bekommen. Die junge Frau ließ sich bereitwillig und ohne Probleme darauf ein. Sie wusste um ihr eigenes inneres Anliegen und war motiviert, daran zu arbeiten. Anfänglich reagierte sie mit Widerwillen und nahezu »böse« darauf, wenn ich ihr Vorschläge machte, wie wir Vergangenheit und Gegenwart, alte Verletzung und jetzige Realität innerlich voneinander trennen könnten. Sie wollte das tief verletzte 9-jährige Kind in sich nicht so ohne Weiteres wachsen lassen. Sie klammerte sich an ihrer Kränkung fest. Obgleich ich sehr behutsam mit ihr umging, konfrontierte ich sie wiederholt damit, dass sie auch ihren Vater trotzig am Ort der Verletzung festhalten wollte und damit sich selbst wie ihm die Chance auf »heilende Verständigung« versage. Da es sich bei der 16-Jährigen um eine überaus aufgeweckte, kluge und nachdenkliche junge Frau handelte, nahm sie mir meine Konfrontationen nicht übel. Sie wusste selbst, dass sie sich diesem Teil ihrer persönlichen Geschichte stellen musste.
    In der Folge vermochte sie einzusehen, dass ihr Vater damals eine Entscheidung für sich und sein zukünftiges Leben und nicht ausdrücklich gegen sie getroffen hatte. Sie vollzog die Unterscheidung zwischen väterlicher Liebe für eine Tochter und männlicher Liebe zu einer Frau. Als Mann suchte und brauchte ihr Vater etwas anderes, das sie ihm als Tochter und Kind nicht zu geben vermochte.
    Nachdem sie erst einmal vom Kopf her zulassen konnte, dass die frühere Entscheidung ihres Vaters für eine neue Liebe nicht gleichbedeutend mit ihrer Verstoßung als Tochter war, vollzog sich eine rasche Veränderung. Sie ließ ihre eigene Kränkung »ausbluten«, sodass die Wunde sich zu schließen begann. Die Veränderung wanderte vom Kopf in ihr Gefühl ein. Sie bedauerte, mit ihrem Vater so viel ungenutzte Zeit verloren zu haben, während der sie selbst sich geweigert hatte, ihn zu sehen. Die aktuellen Streitereien zwischen ihnen schätzte sie so ein, »dass mein Vater wohl selbst alles nachholen möchte. Aber er sieht mich noch nicht als diejenige, die ich heute bin, und behandelt mich wie ein kleines Mädchen, dem er alles verbieten möchte, was er nicht versteht«. Daraufhin befragt, was sie von ihrem Vater noch brauche oder wünsche, damit die erlittene Kränkung die beherrschende Macht über ihr Leben verliere, antwortete die 16-Jährige leise: »Ich möchte von ihm gern einmal den Satz hören: ›Es tut mir leid, dass ich dich damals im Stich und alleingelassen habe‹.« Dabei wirkte sie unendlich traurig. Kurz darauf ging ein Ruck durch ihren Körper. Sie richtete sich in ihrem Sessel auf, lächelte und meinte: »Ich glaube, jetzt kann ich damit leben. Und eigentlich freue ich mich sogar auf mein neues Brüderchen, das bald kommt.«
    Sie stimmte zu, als ich ihr vorschlug, ihren Vater zu einigen abrundenden Gesprächen mit ihr zusammen einzuladen. Jener willigte sofort ein. In bewegenden Szenen schlossen beide ihren Frieden miteinander. Die Tochter bekam sogar ihren erlösenden Wunschsatz zu hören, als der Vater ihr erklärte, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen sei, sich wegen einer anderen Frau von seiner Familie zu trennen, und wie sehr er selbst mit seinem Gefühl der

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