Haschisch
schwebte, bis sie ganz dicht vor mir war. Ich erkannte Manolithas Züge, schön, wie sie in mir lebten. Sie trug ein antikes Gewand. Gemessen schritt sie auf mich zu, hob ihre beiden Arme und wollte mir einen Lorbeerkranz auf die Schläfen drücken. Aber zum dritten Male kam der Schmuggler, rollte das Bild auf, gab es dem Skelett, das damit in dem Stollen verschwand. In dem Guckkasten aber gewahrte ich ein anderes Schauspiel. Ein Herr, der meinem Vater ähnlich sah, sich nur viel vornehmer gab, sprach von einer Rednerbühne herab zu einer festlichen Versammlung. Man jubelte ihm zu, als er seine Rede gerade beendet hatte. Ich hörte noch, wie er sagte: »Und für diese Broschüre, in der ich sein Land in den wahrsten und hellsten Farben zugleich geschildert, geruhten Seine Hoheit der Bey von Tunis mir seinen Sonnenorden zu verleihen. Mein Souverän – Gott erhalte ihn – konnte mir aus geheimen Gründen der Staatsräson das Tragen dieser Auszeichnung nicht gestatten, und so bin ich genötigt, diesen Beweis seiner Gunst dem hohen Bey – auch ihn erhalte Gott – zurückzusenden. Vorher aber kann ich mir die Genugtuung nicht versagen, Ihnen, verehrte Zuhörer, und – wie ich mir wohl schmeicheln darf – Freunde, dieses Kleinod zu zeigen!«
Mit diesen Worten öffnete der vornehme Mann eine Kiste, die ihm derselbe Diener brachte, der mich vorher mit Tee bedient und mir die Stiefel ausgezogen hatte, und entnahm daraus goldene Sterne und seidene Schleifen, die er der laut jubelnden Menge zeigte. Ja, er konnte sich nicht enthalten, sie einen Augenblick anzulegen.
In diesem Augenblick klingelte es wieder am Telephon. Jemand rief: »Schluß!« Ich hängte die Hörmuschel an, und als ich mich umsah, war es heller Morgen. Die Schmuggler saßen beim Mahl in ihrer Felsenstube.
Man wünschte mir einen guten Tag, das Skelett brachte einen erträglichen Morgenkaffee an mein Lager. Ich erfuhr, daß die Schmuggler nach dem Frühstück an ihr Tagewerk zu gehen beabsichtigten, also einige Streifzüge in der Umgegend machen wollten, weil heute der Fürst Metternich, auf einer Italienreise begriffen, durchkommen müsse und sie ihm einige freiheitliche Ideen aufschwindeln wollten. Sie hofften, durch derartige Manipulationen die Revolution nicht hergeben zu brauchen. Man brach auf, und mir blieb nichts anderes übrig als mitzugehen. Die Schmuggler bemerkten meine enttäuschte Miene.
»Ach so, die Geschenke«, sagte einer, »Sie müssen wissen, daß Sie das nicht alles auf einmal erhalten, es wird auf Ihr ganzes Leben verteilt werden. Aber Sie werden noch heute spüren, daß wir Wort halten.«
Ich glaubte natürlich kein Wort und war überzeugt, daß man mich betrogen hatte.
Wir gingen durch einen endlos scheinenden Stollen, der uns schließlich an eine Stelle des Sees führte, wo zwischen Wasser und Felsen kein Pfad ging. Ein breites Warenboot, wie es die Schiffer benutzen, lag in einer kleinen natürlichen Bucht. Ich wurde eine halbe Stunde weit gerudert und dann an der mir bekannten Uferstraße abgesetzt. Die Schmuggler hielten sich keine Minute auf, sondern fuhren mit unbegreiflicher Geschwindigkeit zurück.
Ohne im geringsten Klarheit über das Erlebnis zu finden, ging ich der Stadt zu. Von weitem sah ich Manolitha, die vom Markt kam, wo sie Fische gekauft hatte. Sie trug sie in einem Korb. Pfui, wie häßlich sie war! Sie sah krankhaft und mager aus. Wie mußten erst ihre Hände nach Fischen riechen! Glücklicherweise führte der Weg über eine Brücke, unter die ich leicht durch einen Graben neben der Straße gelangen konnte. Dort verbarg ich mich, bis Manolitha vorbei war. Ich habe sie niemals wiedergesehen.
Als ich auf den Marktplatz der Stadt kam, fand ich vor dem vornehmsten Gasthaus ein großes Gedränge, das von galonierten Bedienten zurückgehalten wurde. Ich glaubte, unter denen, die aus dem Haus kamen, einen der Schmuggler zu gewahren, der sofort in der Menge verschwand. Auf meine Erkundigung erfuhr ich von meinem Nachbar, es sei eine hohe Persönlichkeit auf der Durchreise nach Italien angekommen, man wisse aber nicht, wer, da die Personnage unerkannt bleiben wolle. Ich wußte sofort, daß es niemand anders als Fürst Metternich sein konnte. Mit einer mir sonst gar nicht eigenen Gewandtheit verstand ich mich durch den Garten von hinten ins Haus zu schleichen. Vor einer Tapetentür im ersten Stock blieb ich, der sonst eher schüchtern war, so ungeniert stehen, daß alle Vorübergehenden meinen mußten, ich
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