Hasenherz
Gegenstände dar. «Rumsdiplumps!»
Zwar nimmt Rabbit Tothero mit Vorsicht hin, als Verrückten, aber allmählich ist er gespannt. Sie parken den Wagen an der Weiser Avenue; als Treffpunkt hat man den Eingang eines chinesischen Restaurants festgesetzt.
Die Mädchen warten unter karmesinrotem Neonlicht und sind von blumenhafter Zartheit umflossen. Der rote Schein wirft einen welken Duft auf ihr bauschiges Haar. Das Herz hüpft Rabbit voraus übers Straßenpflaster. Dann stehen sie alle beisammen, und Tothero macht ihn mit Margaret bekannt: «Margaret Kosko, Harry Angstrom, mein bester Spieler, es ist mir eine Freude, zwei so wunderbare junge Men schen miteinander bekannt zu machen.» Der Alte hat ein merkwürdi ges scheues Benehmen, und in seiner Stimme lauert ein Husten.
Als Tothero fertig ist mit seiner Zeremonie, stellt Rabbit erstaunt fest, daß Margaret eine zweite Janice ist: die gleiche fahle Kompaktheit, die gleiche eigensinnige Kleinwüchsigkeit. Sie bewegt kaum die Lippen, als sie sagt: «Das ist Ruth Leonard. Und das ist Marty Tothero und – ich hab Ihren Namen vergessen.» Ruth ist neben Margaret tatsächlich fett, aber durchaus nicht so fett. Eigentlich ist sie mehr stämmig. Aber groß dabei. Ihre Augen sind flach und blau und liegen in viereckig geschnittenen Höhlen. Ihre Oberlippe steht ein bißchen vor, als ob sie leicht entzündet wäre, und ihre Schenkel wölben sich vor unterm Rock, so daß sich selbst im Stehen ein Schoß bei ihr bildet. Ihr Haar hat einen schmutzig rostigen Ton, und sie trägt es im Nacken zusammengebun den. «Harry», sagt Rabbit. «Oder Rabbit.»
«Ja, richtig!» schreit Tothero. «Die andern Jungs haben dich immer Rabbit genannt. Ich hatte es ganz vergessen.» Er hustet.
«Sie haben auch wirklich was von einem großen Kaninchen», be merkt Ruth. Hinter ihr stehen die Parkuhren mit ihren roten Zungen am Kantstein aufgereiht, und zu Ruths Füßen, die in lavendelblaue Sandaletten gezwängt sind, treffen sich vier Gehsteigplatten in einem X.
«Ich bin nur äußerlich groß», sagt Rabbit.
«Das ist bei mir dasselbe», sagt Ruth.
«Gott, bin ich hungrig», wendet Rabbit sich an alle zusammen, nur, um etwas zu sagen. Er bekommt plötzlich Angst.
«Hunger, Hunger», sagt Tothero, wie wenn er Rabbit dankbar sei für dies Stichwort. «Wo wollen meine kleinen Lieblinge denn hin?»
«Warum nicht gleich hier?» fragt Harry. An der Art, wie die beiden Mädchen ihn ansehen, erkennt er, daß sie von ihm erwarten, er werde die Initiative übernehmen. Tothero zappelt vorwärts und rückwärts wie eine aufgescheuchte Krabbe und stolpert in ein Paar mittleren Alters hinein, das gerade vorüberkommt. Sein Gesicht zeigt einen so überraschten Ausdruck beim Zusammenstoß, und er ist so eifrig be müht, sich zu entschuldigen, daß Ruth lachen muß. Ihr Gelächter klingt aufs Pflaster wie eine hingeworfene Handvoll Kleingeld. Rabbits Angespanntheit löst sich bei diesem Klang; er hat ein Gefühl, als füllten sich die Zwischenräume in der Muskulatur seines Brustkastens mit warmer Luft. Tothero geht als erster durch die Glastür, Margaret folgt ihm hinterdrein, und dann kommt Ruth, sie nimmt Rabbits Arm und sagt: «Ich kenne Sie. Ich war auf der West Brewer High School und kam einundfünfzig raus.»
«Das ist ja mein Jahrgang!» Der Gedanke, daß sie in seinem Alter ist, freut ihn ebenso wie der Druck ihrer Hand auf seinem Arm; es ist für ihn so, als hätten sie dieselben Dinge gelernt und dieselben Ansichten vom Leben gewonnen, obwohl sie doch in einander entgegengesetzten Stadtteilen zur Schule gegangen sind. Sie haben gemeinsam die Ansich ten von einundfünfzig.
«Ihr habt uns geschlagen», sagt sie.
«Ihr hattet aber auch ein unmögliches Team.»
«Das hatten wir nicht. Ich bin mit dreien von den Spielern damals gegangen.»
«Mit dreien auf einmal?»
«In gewisser Weise ja.»
«Na darum, sie haben so müde ausgesehen.»
Sie lacht wieder, die Münzen klingeln zu Boden; Rabbit aber schämt sich für das, was er gesagt hat, sie ist so gutartig und war damals vielleicht hübsch. Heute ist ihre Haut im Gesicht nicht mehr so frisch, aber ihr Haar ist üppig. Ein junger Chinese in mausgrauem Leinenjac kett tritt ihnen an der Glastheke entgegen, hinter der eine Amerikanerin im Kimono sitzt und abgegriffene Bons zählt. «Wieviel Personen bitte?»
«Vier», sagt Rabbit, da Tothero schweigt.
Mit unvermuteter, freizügiger Bewegung streift Ruth ihren kurzen weißen Mantel ab und
Weitere Kostenlose Bücher