Hasenherz
na, hören Sie», sagt Rabbit.
Der Kellner kommt mit den Stäbchen und zwei Speisekarten. Rabbit ist enttäuscht von den Stäbchen, sie fühlen sich nach irgendwelchem Kunststoff an und nicht nach Holz. Die Zigarette schmeckt kratzig; eine Nasevoll Stroh. Er drückt sie aus. Nie wieder.
«Wir bestellen jeder ein Gericht und teilen es uns dann», bestimmt Tothero. «Na, hat irgendwer eine Leib- und Magenspeise?»
«Süßsaures Schweinefleisch», sagt Margaret. Eines muß man ihr lassen: sie weiß, was sie will.
«Harry?»
«Ich weiß nicht.»
«Was ist denn los mit dem großen Experten der chinesischen Kü che?» fragt Ruth.
«Hier steht alles auf englisch. Ich bin an chinesische Karten ge wöhnt.»
«Na, kommen Sie, machen Sie uns nichts vor, sagen sie lieber, was gut ist.»
«Oje, Sie bringen mich in Verlegenheit.»
«Sie sind nie in Texas gewesen», sagt sie.
Er denkt an das Haus in der merkwürdigen, pompösen Straße, an die grüne Nacht, die aus der Prärie stieg, an die Blumen im Fenster und sagt: «Ich war ganz todsicher dort.»
«Und was haben Sie da gemacht?»
«Dienst am Vaterland getan.»
«Ach, beim Militär! Das zählt nicht. Jeder ist in Texas gewesen beim Militär.»
«Bestellen Sie einfach, was Ihrer Meinung nach gut schmeckt», sagt Rabbit zu Tothero. Ihn irritieren all die Militärveteranen, die Ruth zu kennen scheint, und außerdem möchte er wenigstens noch die letzten Takte von dem Song hören, für den er zehn Cents ausgegeben hat. Im Auto letzte Nacht hat die schrille Melodie ihn so belebt, aber hier, in diesem chinesischen Restaurant, dringt sie nur müde an seine Ohren und scheint aus der Küche zu kommen.
Tothero gibt dem Kellner alle Bestellungen auf, und sobald der Chinese gegangen ist, wendet er sich wieder an Ruth. Die dünnen Lippen des Alten sind naß von Whisky, und in seinen Mundwinkeln steht der Speichel. «Der Trainer», sagt er, «der Trainer hat die Aufgabe, die drei Instrumente in Einklang zu bringen, die wir zum Leben mitbe kommen haben: den Kopf, den Körper, das Herz.»
«Und die Gegend zwischen den Beinen», sagt Ruth. Margaret lacht, als einzige. Rabbit ekelt sich regelrecht vor ihr.
«Junge Frau, Sie haben mich herausgefordert, und ich habe ein Recht darauf, daß Sie mir wenigstens mit gutem Willen zuhören.» Tothero gibt seinen Worten ein ernstes Gewicht.
«Scheiße», sagt sie leise und senkt den Blick. «Behalten Sie Ihren Quatsch für sich.» Sie fühlt sich getroffen. Ihre Nasenflügel werden weiß, ihr grobes Make-up verdunkelt sich.
«Erstens. Der Kopf. Taktik. Die meisten Jungs kommen von Spielen auf der Straße zum Trainer und haben keine Ahnung von der – von der Eleganz des Basketballspiels, wenn es auf einem richtigen Platz stattfin det, mit zwei Körben. Bist du nicht meiner Meinung, Harry?»
«Doch, doch. Gerade gestern . . .»
«Zweitens – laß mich ausreden, Harry, dann kannst du sprechen – zweitens der Körper. Die Jungs in eine gute Kondition bringen. Ihre Beine stählen.» Er ballt die Faust auf dem glatten Tisch. «Stahlhart machen. Rennen lassen, rennen, rennen. Sie rennen lassen, so oft sie ihre Füße auf der Erde haben. Man kann nicht genug rennen. Drittens» – mit Zeigefinger und Daumen wischt er sich die Feuchtigkeit aus den Mundwinkeln weg – «das Herz. Und hier hat der gute Trainer, junge Frau, der ich mich immer bemüht habe zu sein und der ich in gewisser Weise war, hier hat er sein schönstes Betätigungsfeld. Er lehrt die Jungs den Willen zur vollkommenen Leistung. Ich habe das immer für richti ger gehalten, als sie auf den Sieg auszurichten, denn auch eine Niederla ge kann vollkommene Leistung sein. Man muß die Jungs dazu bringen, daß sie die, ja, ich glaube, das Wort paßt gut, die Heiligkeit der Leistung empfinden, wenn man sein Bestes gibt.» An dieser Stelle riskiert er eine Pause, und er hat Glück damit; er sieht alle der Reihe nach an, um ihnen die Zunge erfrieren zu machen. «Ein Junge, dem das Herz weit gemacht worden ist von einem inspirierenden Trainer», schließt er, «wird im weit schwierigeren Spiel des Lebens niemals ein Versager sein, in des Wortes tiefster Bedeutung.» Im Vertrauen, daß er's ihnen nun gezeigt hat, greift er zu seinem Glas, das eigentlich nur noch Eiswürfel enthält. Als er es zum Mund kippt, rutschen sie alle nach vorn und fallen ihm gegen die Lippen.
Ruth wendet sich Rabbit zu und fragt ruhig, um das Thema zu wechseln: «Was machen Sie?»
Er lacht. «Ich weiß nicht
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