Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
reicht ihn Rabbit. Ein weiches, tuchiges Bündel. Ein Parfumhauch ist bei der Bewegung aufgestoben.
    «Vier Personen, jawohl, bitte hier lang.» Und der Ober führt sie zu einer roten Nische. Das Lokal scheint erst seit allerjüngster Zeit chine sisch zu sein: rosa Stadtansichten von Paris zieren noch die Wände. Ruth steht unsicher auf den Beinen; Rabbit geht hinter ihr und sieht, daß ihre Fersen, gelb von Hornhaut, den Hang haben, seitlich herauszurutschen aus dem lavendelfarbenen Riemenwerk, das ihre Füße an den hohen Stöckeln festbindet. Aber ihr breiter Hintern unter dem grünschimmernd sich spannenden Kleid drückt eine gewisse Gelassenheit aus. Ihre Taille ist präzis und knapp eingeschnitten, wie die Linien in ihrem Gesicht. Der Schnitt des Kleides legt ein großes, V-förmiges Stück ihres fleischigen, hellen Rückens bloß. Als sie die Nische errei chen, stößt Rabbit mir ihr zusammen, und seine Nase berührt ihren Kopf. Der prickelnde Geruch ihres Haares paßt nicht zu dem Waren hausduft hinter ihren Ohren. Sie stoßen zusammen, weil Tothero Margaret mit umständlicher Feierlichkeit auf ihren Platz nötigt; ein Gnom am Eingang zu seiner Höhle. Rabbit steht da und wartet, und es macht ihm Spaß zu denken, daß ein Fremder, der draußen am Restaurant-Fenster vorbeigeht, so, wie er selber in der vergangenen Nacht an der Raststätte in West Virginia vorbeigegangen ist, ihn hier mit einer Frau sehen kann. Er stellt sich vor, daß er der Fremde ist und herein starrt und den Mann dadrinnen, ihn selbst, um seinen Körper beneidet und um den der Frau. Ruth beugt sich über den Tisch und rutscht auf ihren Platz. Die Haut auf ihren Schultern schimmert und verlischt dann im Schatten der Nische. Rabbit setzt sich auch, und er spürt ihr Gera schel neben sich, wie Frauen es immer anstellen, wenn sie sich niederlassen, dies geschäftige Geraschel, als bauten sie ein Nest.
    Dann merkt er, daß er noch immer ihren Mantel in der Hand hat. Wie ein kleines schlappes Vieh, das in seinem Schoß schläft. Ohne sich zu erheben, langt er hoch und hängt ihn an den Garderobenhaken zu seinen Häupten.
    «Wie gut, lange Arme zu haben», sagt Ruth und kramt in ihrer Tasche und holt ein Päckchen Newsports heraus.
    «Tothero sagt, ich hätte kurze Arme.»
    «Wieso kennen Sie diesen alten Lustmolch?» Das fragt sie so laut, daß Tothero es hören kann, wenn er will.
    «Er ist kein Lustmolch, er war mein Trainer.»
    «Wollen Sie eine?» Eine Zigarette.
    Rabbit zaudert. «Ich habe damit aufgehört.»
    «So, der alte Lustmolch war Ihr Trainer», seufzt sie. Sie zieht eine Zigarette aus dem türkisenen Newsport-Päckchen und schiebt sie sich zwischen die orangefarbenen Lippen und sieht stirnrunzelnd auf den Schwefelkopf des Papierstreichholzes, das sie mit typisch weiblicher Ungeschicklichkeit anzureißen versucht: sie hält das Streichholz schief, knickt es dadurch und reißt es von sich weg über die Reibfläche. Erst beim dritten Kratzer flammt es auf.
    Margaret sagt: »Ruth.»
    «Lustmolch?» sagt Tothero, und sein schweres Gesicht sieht unwohl aus und ist schiefgezerrt in listigem Frohsinn, und man meint, es fängt an zu schmelzen. «Ja, das bin ich. Ein mieser alter Molch, der unter Prinzessinnen geraten ist.»
    Margaret findet nichts Nachteiliges gegen sich selbst in diesem Satz und deckt ihre Hand über Totheros Hand, die auf dem Tisch liegt, und sagt mit feierlicher, toter Stimme: «Du bist ganz und gar kein Lustmolch.»
    «Wo steckt denn unser junger Konfuzius?» fragt Tothero und sieht um sich, seinen freien Arm hält er dabei in die Höhe. Als der Kellner dann kommt, fragt er: «Können wir hier alkoholische Getränke be stellen?»
    «Die holen wir von nebenan», sagt der Kellner. Komisch, wie bei Chinesen die Augenbrauen in die Haut eingelassen sind, anstatt oben drauf zu liegen. Und ihre Gesichter sehen immer so frischgewaschen aus.
    «Einen doppelten Scotch», sagt Tothero. «Mein Liebes?»
    «Daiquiri», bestellt Margaret; das klingt wie ein Scherz.
    «Und ihr, Kinder?»
    Rabbit sieht Ruth an. Ihr Gesicht ist dick orangefarben überstäubt, ihr Haar, das beim ersten Hinsehn schmutzig blond schien oder braun verwaschen, hat in Wirklichkeit viele Farben: es ist rot und gelb und braun und schwarz; jedes einzelne Haar durchläuft im Lichtschein eine ganze Skala von Schattierungen, wie das Fell eines Hundes. «Ach, zum Kuckuck», sagt sie, «auch einen Daiquiri.»
    «Drei», sagt Rabbit zum Kellner und denkt, daß Daiquiri

Weitere Kostenlose Bücher