Hass
töricht. Sie war einfach nicht Christie.
Ihn überkam große Traurigkeit. Etwas zerbrach in ihm, und er merkte, dass er die obskure Hoffnung gehegt hatte, dass diese Frau seine lange vermisste Christie sein konnte.
Aber nein, diese Frau war eine Fremde.
»Mr Noble, stimmt etwas nicht?«
Ihre Stimme. Sie klang fast wie Christies. Ihre Finger schlossen sich um seine. Unvermittelt ließ er ihre Hand los, als ihm bewusst wurde, dass Thomas Pallack, der Ehemann dieser Frau, ihn beobachtete. Er war noch älter als Chappy, ging sicher auf die siebzig zu. Ein stattlicher Mann, der seinen Bauchansatz unter dem maßgeschneiderten Anzug versteckte. Thomas Pallack starrte Dix mit hochgezogener Braue an, als sei er plötzlich misstrauisch, weil Dix die Hand seiner Frau zu lange drückte, zu viel Gefühl zeigte und sich im Großen und Ganzen eben nicht angemessen verhielt. Vielleicht fragte er sich, ob dieser Fremde ein sexuelles Interesse an seiner jungen Frau hatte.
Dix trat zurück und brachte ein distanziertes Lächeln zustande.
Es ist vorbei. Sie ist nicht Christie.
Er sagte: »Verzeihen Sie, Mrs Pallack. Sie erinnern mich an jemanden, den ich vor langer Zeit sehr gut kannte. Wie sie, sind auch Sie wunderschön.«
Das war das Beste, was er sagen konnte. Thomas Pallack schien sein Misstrauen wieder unter Kontrolle zu bekommen. Offensichtlich war er stolz darauf, dass der jüngere Mann so offen seine Frau bewunderte, aber sie nicht haben konnte, weil sie ihm gehörte. Derweil neigte Charlotte Pallack den Kopf zur Seite und starrte ihn weiter an. Sie war überrascht und geschmeichelt zugleich. Sie hatte keine Ahnung, wer er war.
Es ist nicht Christie.
Evelyn Sherlock sagte in unbeschwertem Tonfall: »Ach, diese Doppelgängergeschichten. Ich wünschte, ich könnte meine Doppelgängerin finden. Ich frage mich, ob sie vielleicht in der Klapsmühle sitzt oder eine Mutter Oberin in einem italienischen Kloster ist. Was meinst du, Corman?«
Richter Sherlock lachte herzlich, was Dix die Zeit gab, die Kontrolle zurückzugewinnen. »Bitte keine Mutter Oberin, Evelyn, egal ob italienisch oder nicht, damit würde ich nicht zurechtkommen. Würdest du in deinem Kloster Wein herstellen?« Mit einem Lächeln fügte er an die Pallacks gerichtet hinzu: »Kommen Sie doch bitte ins Wohnzimmer. Wir trinken etwas und nehmen ein paar von Isabels köstlichen Hors d’œuvres zu uns, bevor wir zu einem Dinner übergehen, nach dem wir alle unsere Gürtel lockern werden.«
Es ist nicht Christie.
Doch dann ging er hinter ihr her und verglich ihren Gang mit dem Christies. Es gab nur ganz feine Unterschiede, so als hätte sie Christie genau beobachtet und imitierte sie nun – nein, er musste sich jetzt zusammennehmen. Morgen würde er nach Hause fliegen und die Sache mit dem Familienstand endlich ein für alle Mal regeln. Er würde vor einem Richter tatsächlich das Wort Verlassen aussprechen. Gott, er wusste nicht, ob er das über sich bringen konnte – aber es war schon lange an der Zeit. Es musste einfach sein. Er würde aufhören, weiterhin im Schwebezustand zu existieren, das war auch Ruth gegenüber nicht fair. Er betete, dass sie schon bald die Seine war und dass er somit das Glück hatte, zwei so außergewöhnliche Frauen in seinem Leben gefunden zu haben. Auch seinen Jungs gegenüber war es nicht fair. Sie hatten alle schon viel zu lange im Ungewissen gelebt.
Dix versuchte, beim Essen den Blick nicht auf Charlotte Pallack zu richten, und war damit auch die meiste Zeit erfolgreich. Doch Charlotte warf ihm immer wieder kleine Blicke zu.
Er hörte Thomas Pallack zu und war belustigt zu sehen, wie der Mann seinen Reichtum wie auf einem goldenen Tablett vor sich hertrug. Er wusste, er war wichtig, mächtig, und vor allem wusste er es so zu präsentieren, dass es nicht nach Angeberei aussah und die Leute ihn nicht gering schätzten. Er hatte viel mit Chappy gemein, aber Chappy verstand sich noch besser darauf.
Dix nahm ein Glas des exzellenten Merlot, den Richter Sherlock zum Abendessen anbot. Er konnte daran nippen, ohne dass sein Magen rebellierte. Er fand es immer noch schwierig, seinen Blick von Charlotte Pallack abzuwenden, was ihr und ihrem Mann nicht entging. Wenn er Thomas Pallack wäre, würde er dem Eindringling eine verpassen wollen. Doch dem Älteren schien die Sache im Gegenteil sogar Spaß zu machen. Charlotte war seine Trophäe, dachte Dix, wenn man es unschmeichelhaft ausdrücken wollte.
Er blickte vom Teller hoch und
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