Hass
sagte: »Mrs Pallack …«
»Oh, da Sie ein Freund der Sherlocks sind, nennen Sie mich doch Charlotte.«
»Charlotte«, fing er erneut an und nickte. Selbst ein Gehörloser hätte die besondere Wärme in ihrer Stimme vernommen. »Ich kann Ihren Akzent nicht genau zuordnen. Kommen Sie vielleicht aus dem Süden?«
»Nun, Mr Noble, Sie haben ein sehr gutes Ohr. Ursprünglich komme ich aus dem Osten, dann sind meine Eltern nach Durham umgezogen. Aber ich bin jetzt schon seit vielen Jahren in Kalifornien. Ihr Akzent hat auch etwas Südstaatliches an sich.«
Er nickte. »Ich komme aus einer Kleinstadt namens Maestro in Virginia. Ich bin der Sheriff dort. Nennen Sie mich bitte Dix.«
»Aha, noch ein Gesetzeshüter«, sagte Thomas Pallack und warf seine Serviette neben seinen Teller. »Ein Bundesrichter und ein Sheriff.« Dix bemerkte, dass sein Status merklich in Pallacks Augen gesunken war. Er wollte lachen, konnte aber nur nicken. »Ja, Sir. Ich bin mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn befreundet. Wie Sie vielleicht wissen, sind Lacey und ihr Mann Dillon Savich beide FBI-Beamte. Wir haben vor ein paar Monaten bei einem Fall in Maestro zusammengearbeitet.« Er nahm einen kleinen Schluck Merlot und fügte hinzu: »Vielleicht kennen Sie meinen Schwiegervater, Mr Pallack? Chapman Holcombe – alle nennen ihn Chappy. Sein Hauptinteresse liegt im Bereich Banken, ihm gehört die Holcombe First Independent. Also, das stimmt nicht ganz – genauer gesagt, liegt sein Hauptinteresse im Geldscheffeln.« Dix lächelte, ganz der Mann von Welt.
Thomas Pallack nickte. »Der Name Ihrer Stadt kam mir gleich bekannt vor. Ja, Chappy und ich haben vor einigen Jahren miteinander Geschäfte gemacht, das war sehr profitabel, kann ich noch sagen. Wie auch immer, wir haben keinen Kontakt gehalten, hab ihn seitdem nicht mehr wiedergesehen. Wie geht’s dem alten Geizhals denn so?«
»Alles beim Alten. Sein Sohn Tony führt jetzt die Bank, aber Chappy hat die Zügel noch nicht ganz aus der Hand gegeben. Ich bezweifle, dass er das jemals tun wird, bevor er stirbt.«
Richter Sherlock sagte mit ruhiger Stimme: »Sie sagen, der Mann ist Ihr Schwiegervater, Dix? Ja, ich erinnere mich, wie Lacey erwähnte, Sie seien mit seiner Tochter verheiratet. Verzeihen Sie, aber ich weiß ihren Namen nicht.«
»Meine Frau ist tot«, sagte Dix. Brennende Galle stieg ihm im Hals hoch. Gleichzeitig bewunderte er Richter Sherlocks Chuzpe und seine Schauspielkunst. »Es ist jetzt schon über drei Jahre her. Ihr Name war Christie.«
»Es tut mir sehr leid«, sagte Charlotte Pallack. »Also, Dix«, sagte Thomas Pallack, »Sie warnen Chappy besser davor, die Gesetze nicht zu beugen, oder Richter Sherlock schickt ihn in einen unserer staatlichen Gulags.«
»Gulags?«, fragte Dix mit hochgezogener Braue. »Ich wusste nicht, dass wir hier welche haben.«
»Unser Gefängnissystem«, sagte Pallack und lehnte sich mit erbittertem Blick vor, »ist eine Schande. Unsere Insassen leben in abstoßenden, überfüllten Einrichtungen, und die zuständigen Behörden sind inkompetent und versinken im Morast.«
»Dem stimme ich zu«, sagte Richter Sherlock.
Thomas Pallack trieb das Thema voran. »Die einzige Lösung ist, einige der Insassen zu entlassen, in eine Art Hafturlaub, und sie dann wieder in die Gesellschaft zu integrieren.«
Richter Sherlock antwortete: »Kennen Sie nicht die Rückfallrate, Thomas? Sie ist höher als die Einkommensteuer des Staates. Ich würde sagen, das Letzte, was die Gesellschaft braucht, ist, Räuber, Mörder, Drogendealer, Vergewaltiger und andere ausgesuchte Nichtsnutze zurück auf die Straßen zu lassen, damit sie Chaos und Verwüstung anrichten können.« Richter Sherlock unterbrach seinen Redefluss für einen Moment, als ihm klar wurde, dass er Thomas Pallack heute nicht so kritisieren konnte, wie er gerne wollte. Schließlich war der Mann sein Gast, zum Teufel. »Aber Sie haben nicht ganz unrecht. Wir müssen das System überholen und mehr Gefängnisse bauen.«
Thomas Pallack holte aus, doch als ihm Evelyn den scharfen Blick der Gastgeberin zuwarf, überlegte er es sich anders. »Manch einer würde Ihnen da zustimmen«, war alles, was er sagte. Dix bewunderte seine Zurückhaltung, aber er fragte sich: Wenn Thomas Pallack Chappy kannte, hatte er dann nicht vielleicht doch Christie kennengelernt oder wenigstens ihr Foto in der Bibliothek gesehen? Hatte er dann auch nicht zumindest Dix’ Namen schon einmal gehört? Und wenn er Christie
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