Hass
Taylor hat einen Privatjet der saudi-arabischen Königsfamilie geflogen. Nur drei Monate vor Lincs Unfall haben Terroristen eine Bombe ins Flugzeug geschmuggelt. Es explodierte in einem Feuerball über der Wüste. Ben, sein Copilot, zwei Flugbegleiter und alle sechs Passagiere sind bei dem Anschlag umgekommen.
Dutzende Personen wurden nach den Morden festgenommen, aber die Ermittlungen verliefen irgendwie im Sande, wahrscheinlich, weil es sich bei den Toten nur um entfernte Cousins und nicht direkte Mitglieder der königlichen Familie handelte. Ich glaube, wenn König Fahd an Bord gewesen wäre, hätten sich die Saudis wohl mit den USA bei der Suche nach Bin Laden verbündet. König Fahd ist kurze Zeit später gestorben, und Abdullah übernahm die Regierungsgeschäfte.
Was mich wirklich überrascht hat, war, dass ich eine Woche nach Lincs Beerdigung einen Scheck über eine halbe Million Dollar durch einen Sonderboten von König Fahd übermittelt bekam, nebst einer Beileidsbekundigung.«
»Das mit Ihrem Mann tut mir leid.«
»Danke. Die Sache ist die, dass Ben ein ehemaliger Army Ranger war. Mir ist zu spät klar geworden, dass er einfach nicht der häusliche Typ war, obwohl er es eine Zeit lang wirklich versucht hat. Er liebte die Fliegerei und besonders seinen Status als Pilot der königlichen Familie. Er war gern im Nahen Osten und lebte praktisch in Saudi-Arabien. In Riad wohnte er wie ein Prinz.« Sie seufzte erneut. »Ich war natürlich enttäuscht. Ich wollte ihn schon um die Scheidung bitten. Linc gegenüber war es nicht fair, dass er seinen Vater nie zu Gesicht bekam. Und mir gegenüber auch nicht. Aber dann war Ben plötzlich tot. Und danach verlor ich auch noch Linc.«
Cheney hätte sie am liebsten getröstet, aber stattdessen fragte er in bemüht sachlichem Tonfall: »Wie haben Sie August Ransom kennengelernt?«
»Ich arbeitete für den Hartford Courant. Da habe ich einen Artikel über ihn geschrieben. Als Linc im Krankenhaus lag, kam er jeden Tag. Und als Linc starb, half er mir, tröstete mich. Mit der Zeit glaubte ich tief in der Seele, dass er manchmal wirklich Kontakt zu Linc hatte. Auch nachdem wir verheiratet waren, sprach er ein paarmal mit Linc. Und jetzt ist August auch tot.«
Sie wandte sich von Cheney ab, ging zu dem dunkelbraunen Ledersofa und setzte sich. Ihre Hände ruhten kraftlos in ihrem Schoß, und sie lehnte den Kopf zurück. »Ich habe nie jemand anders gebeten, für mich Kontakt zu Linc aufzunehmen. Ich habe wohl auch nie an einen von den anderen geglaubt, nur an August.« Julia richtete ihren Blick auf das Gitter des leeren Kamins. »Die Leute dachten, ich hätte August wegen seines Geldes geheiratet. Doch mit dem Geld des Königs hatte ich es überhaupt nicht nötig, irgendjemanden zu heiraten. Ich kam gut allein zurecht und hatte ja schon bewiesen, dass ich für Linc und mich sorgen konnte.«
»Hat Ihnen Ihr Mann kein Geld geschickt?«
Sie lächelte schmerzlich. »Doch, aber ich habe alles auf ein Konto für Lincs College-Ausbildung eingezahlt. Ich vermute, dass es mir dabei irgendwie um meinen Stolz ging. Nachdem Linc gestorben war, habe ich das Geld einer pädiatrischen Forschungseinrichtung gespendet. Ich, tja, ich konnte es einfach nicht über mich bringen, es selbst zu verwenden.«
Nach einem Moment der Stille sagte Julia, ihren Blick abgewendet auf etwas, das er nicht sehen konnte: »Alle sind gestorben. Jeder, den ich jemals geliebt habe, ist tot.«
Ohne nachzudenken, sagte er: »Ich werde nicht so bald sterben, Julia. Und Sie auch nicht. Zusammen finden wir heraus, warum August sterben musste. Erzählen Sie mir mehr von Ihrem Mann – ich weiß, dass er um einiges älter war als Sie. Die Ermittler vermuteten, dass das der Grund war, weshalb Sie ihn verlassen wollten. Laut der Notizen glaubten sie nämlich, dass nicht er derjenige war, der sich scheiden lassen wollte, sondern dass Sie es wollten und er nicht in die Scheidung einwilligte. Sie nahmen an, dass Sie ihn deshalb umbringen ließen.«
»Ich weiß.«
»Waren Sie seine erste Frau?«
»Nein. August hat das erste Mal mit Ende dreißig geheiratet – ja, ich weiß, ein Spätzünder. Seine erste Frau, eine Musikerin, starb nach nur zwei Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie war erst Mitte zwanzig, jünger noch als ich jetzt. Er hat dann nicht wieder geheiratet. Als ich ihn für meine Zeitung interviewte, verbrachten wir viel Zeit miteinander. Ich mochte ihn, und er schien mich auch recht gern zu haben.
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