Hass
Musikerin – stellen Sie sich das mal vor. Ginger hat mich nie gemocht. Keine Ahnung, warum.« Er schaute Dix hoffnungsvoll an.
»Wurden Sie nach dem Verschwinden meiner Frau befragt?«
»Ja, alle Studenten wurden befragt. Ich habe den Ermittlern genau dasselbe wie Ihnen erzählt. Es tut mir wirklich leid, Sheriff Noble, ich meine, sie war Ihre Frau. Sie haben auch Kinder, richtig?«
»Ja. Mr Caldicott, ich habe gehört, Sie haben eine vier Jahre ältere Schwester.«
»O ja, Char...« Seine Stimme verstummte abrupt. Er schluckte schwer und sah aus, als wolle er wegrennen.
Ruth hielt ihn mit ihrer Stimme zurück. »Da wissen Sie sicher, dass Christie Noble und Ihre Schwester Charlotte praktisch wie Zwillinge aussahen.«
»Nein, na gut, vielleicht. Sie sehen sich ähnlich, aber da habe ich nie richtig drauf geachtet. Ich habe Charlotte während meiner Teenagerzeit nämlich nicht viel gesehen. Ich erinnere mich noch, wie sich mich immer als Streber bezeichnet hat, wenn wir uns mal getroffen haben. Ihre Frau war sehr freundlich zu mir, Sheriff Noble. Charlotte ist jetzt auch nett zu mir.«
Ruth und Dix schwiegen.
»Ja, okay, vielleicht sehen sie sich ähnlich, nun ja, schon ziemlich ähnlich.«
»Als meine Frau verschwand, haben Sie das ihr gegenber nie erwähnt, Mr Caldicott. Warum nicht?«
»Warum sollte ich? Sie ist meine Schwester. Sie war ja nicht mal in der Nähe damals.« Er hatte einen konzentrierten Gesichtsausdruck. »Es ist schwierig, Sheriff, sich jetzt daran zu erinnern, wie ähnlich sie sich sahen.«
Dix zog ein 13 x 18 Zentimeter großes Farbfoto aus der Tasche. »Ist das Ihre Schwester, Mr Caldicott?«
»Ja, klar, das ist Charlotte.«
»In Wahrheit ist das meine Frau, Christie Noble.«
David Caldicott schüttelte den Kopf. »Unmöglich, Mann. Ich schwöre, das habe ich nie gewusst …« Er schluckte schwer und wurde still. Jetzt stand ihm die Angst ins Gesicht geschrieben. Was steckte dahinter?
»Mr Caldicott, wann genau hat Ihre Schwester Thomas Pallack geheiratet?«
David Caldicott schoss hoch. »Was? Thomas Pallack? Sie wollen etwas über diesen alten Sack wissen?«
»Ja«, sagte Ruth. »Wann haben sie geheiratet?«
»Vor ungefähr drei Jahren.«
»Das Datum, Mr Caldicott.«
»Kann mich nicht erinnern – warten Sie.« Er sprang auf und rannte fast zum Kamin. Er nahm ein Fotoalbum vom Kaminsims.
»Hier, Charlotte hat mir das geschickt.« Er öffnete es. »Sie haben am dritten August geheiratet, ja, vor fast drei Jahren.«
Ruth streckte die Hand aus und nahm das Album. Sie blätterte es durch. Es gab nur sechs Bilder darin. Sie überlegte. Das war also Charlotte Pallack, Christies Doppelgängerin, diese dynamische junge Frau, die da neben einem doppelt so alten Mann stand. Er war elegant gekleidet, doch selbst sein Anzug aus der Savile Row konnte den Bauchansatz nicht verbergen. Trotzdem machte er einen fitten und gesunden Eindruck. Das einst schwarze Haar hatte graue Stellen und Geheimratsecken. Kein Doppelkinn, keine Tränensäcke – er musste einen guten Schönheitschirurgen haben. Er sah intelligent und unnachgiebig aus, so als bräuchte er nur mit den Fingern zu schnippen, um ein kleines Land zu unterwerfen. »Mr Caldicott, wie hat Ihre Schwester Thomas Pallack kennengelernt?«
»Woher soll ich das wissen, Agent Warnecki? Ich meine …«
Dix sah ihn an, als wolle er ihm den Hals umdrehen.
David Caldicott schluckte und lenkte ein. »Meine Schwester steht auf ältere Männer. Na ja, nicht unbedingt älter, aber reich, richtig reich, damit sie auch alles kriegt, was sie will. Sie verabscheute die Armut – wir sind nach dem Tod unserer Mutter in Pflegefamilien aufgewachsen. Ich hatte Glück, aber Charlotte nicht, sie konnte sich irgendwie nie anpassen, wollte immer weg. Mr Pallack ist sehr wohlhabend und mächtig und betet sie an. Ich nehme an, dass für sie jetzt alles gut gelaufen ist.« Er zuckte die Achseln und versuchte ein Lächeln. »Alt, jung – ich mag ja auch Whitney, und sie sieht wie eine Minderjährige aus. Sie muss immer noch ihren Ausweis vorzeigen, und dabei ist sie schon über dreißig. Da könnte ich mich immer kaputtlachen.«
»Sie wollten uns erzählen, wie Ihre Schwester Thomas Pallack kennengelernt hat.«
»Tut mir leid. Das weiß ich wirklich nicht, nur dass sie schon kurze Zeit später geheiratet haben. Das hat mir Charlotte erzählt. Liebe auf den ersten Blick, sagte sie.«
»Hat Ihre Schwester Sie jemals an der Stanislaus besucht?«
»Nein,
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