Hass
als seine Erzfeindin betrachtet, vor der er nicht mit eingeklemmtem Schwanz aus der Stadt fliehen wird. Er will sehen, wie sie stirbt. Tut mir leid, dass Sie sich das anhören mussten, Mrs Ransom.«
»Aber ich habe ihn angeschossen«, sagte Julia. »Das musste ich tun. Sollte er nicht genauso viel Angst haben wie ich?« Sie hielt inne und seufzte. »Na, ist das nicht dumm? Er fürchtet sich vor mir wahrscheinlich so sehr wie vor einer Ameise. Tut mir leid, ich komme mir vor wie auf einem anderen Planeten. Haben Sie eine Ahnung, wer ihn beauftragt hat?«
Savich sagte: »Captain Paulette wird Sie darüber auf dem Laufenden halten. Wenn die Polizei Makepeace schnappt, können sie es vielleicht herausbekommen.« Doch daran glaubte Savich nicht auch nur eine Sekunde lang, genauso wenig wie Cheney oder Sherlock. Xavier Makepeace war ein Profi. Selbst wenn die Cops ihn ergreifen könnten, würde er nicht reden.
Cheney sagte: »Sie haben gesagt, Makepeace’ Vater ist Brite. Hat der Sohn einen britischen Akzent?«
Savich antwortete: »Das wissen wir nicht. Aber er hat sich schon in der Weltgeschichte herumgetrieben. Wahrscheinlich kann er alle möglichen Akzente nachmachen. Außerdem scheint er keine spezielle nationale Bindung zu haben. Wir glauben, dass er schon für die Israelis, die Mullahs und einmal sogar für den Secret Service gearbeitet hat. Er hat keine einheitliche Vorgehensweise – nun ja, er erdrosselt seine Opfer bevorzugt mit einem Draht -, aber er benutzt sonst alles, was gerade zur Hand ist. Bei der Planung ist er sehr genau, manchmal macht er es geradezu grotesk kompliziert. Er ist schon seit fast vierzehn Jahren aktiv. Nur wenige sind ihm jemals nahegekommen, und niemand war je nah genug dran, um ihn zu fassen.«
Julia sagte: »August wurde erdrosselt.«
»Ja, das wissen wir. Und bald ist es auch dem SFPD bekannt«, sagte Savich.
Mit leiser Stimme sagte Julia: »Er macht mir Angst.«
»Ja«, sagte Sherlock in sachlich ruhigem Ton. »Aber Cheney ist bei Ihnen. Er ist wie ein Rottweiler.«
Savich sagte: »Mrs Ransom …«
»Bitte nennen Sie mich Julia.«
»Julia, erinnern Sie sich, ob Ihr Mann einen Klienten namens Thomas Pallack hatte?«
»Ja, natürlich. Thomas Pallack kam seit langer Zeit zu ihm, seit mehr als zehn Jahren, glaube ich. Warum?«
Savich atmete tief durch. »Da könnten sich zwei Fälle überschneiden. Ich denke, dass Sherlock und ich mit einem Sheriff aus Virginia und noch einer FBI-Beamtin von der Zentrale nach San Francisco kommen werden. Es war sehr nett, mit Ihnen gesprochen zu haben, Mrs Ransom – Julia. Wahrscheinlich sehen wir uns schon morgen.«
Als Cheney aufgelegt hatte, wandte er sich Julia zu. »Ja, betrachten Sie mich als Ihren Wachhund. Während meiner Schicht geschieht Ihnen nichts. Sind Sie bereit, Wallace Tammerlane zu besuchen?«
KAPITEL 25
Cheney ließ die Augen nicht von dem grünen Toyota, der vor ihm auf der Lombard Street herschlenkerte. Als der Fahrer des Wagens endlich sein Handy-Gespräch beendet hatte, sagte Cheney: »Die Videobänder – ich wollte Ihnen wirklich sagen, dass das alles ein großer Haufen Mist ist, aber Ihr Mann war sehr gut, Julia, tatsächlich glaubhaft. Die anderen auch, aber August Ransom hat mich da wirklich beinahe überzeugt, obwohl ich die Skepsis in Person bin. Wie viel davon war wohl einfach nur eine gute Vorstellung und wie viel wirklich wahr? Nicht leicht zu sagen.«
Julia lachte auf. »Das habe ich mich auch gefragt, bevor August bei mir im Krankenhaus war. Ich habe sogar die Augen verdreht, als mir der Redakteur den Auftrag gab, August zu interviewen. Ich dachte, er wollte nur eine nette Lobhudelei, weil seine Frau durch August ihren toten Vater kontaktiert hatte und nun mit der Schwärmerei gar nicht mehr aufhörte.
Er hat meine Meinung geändert, das gebe ich zu. Ich habe gesehen, wie er arbeitete, wie er mit den Trauernden umging und wie er es ihnen erleichterte, die dauernde Präsenz eines verstorbenen Angehörigen zu akzeptieren. Mir gegenüber hat er offen davon gesprochen, wie viele Hochstapler es in dem Geschäft gibt und dass einige von ihnen alles tun würden, um Geld zu verdienen. Und wenn jemand tatsächlich über das Talent – das Charisma, also die sprachliche Fertigkeit und die Überzeugungskunst – verfüge, dann wisse oft nur Gott, wer authentisch sei und wer nicht. Trauernde, sagte er, seien die verletzlichsten Menschen auf der Welt. Aber wie gesagt, ich war selbst nicht sicher, bis Linc
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