Hass
Filbert Street, richtig?«
»Genau, nach der Ecke das vierte Haus links.«
»Eine Villa wie Ihre?«
»Sie unterscheidet sich stark von unserer – meiner. Sie werden schon sehen. Seltsam, ich habe mein Haus nie als Villa betrachtet. Es ist doch nur mein Haus, in dem ich lebe, und wo Freddy manchmal zu Besuch kommt und Haare über alle Sofas verteilt.«
Seine Wohnung machte ein Drittel des Erdgeschosses in ihrer Villa aus. Er dachte an den fauchenden Kater und lächelte.
Der Verkehr war dicht und kam nur zäh voran an diesem stahlgrauen Morgen, und der Wind blies heftig und kalt. Eine Stunde Sonne wäre schön gewesen, dachte Cheney. In diesem Moment teilten sich die dicken Wolken, und ein gleißender Sonnenstrahl fiel in den Audi. Ein gutes Zeichen, hoffte er.
Während sein Wagen sich die extrem steile Straße hochkämpfte, sagte Cheney: »Ich vergesse nie, wie ich das erste Mal einen dieser steilen Hügel hochfuhr. Es war, als würde ich vom Erdboden emporsteigen. Beim Gedanken daran fängt mein altes Herz immer noch zu hüpfen an.«
»Versuchen Sie es mal ohne Automatik.«
Cheney sagte: »Ein Freund von mir, ein anderer Beamter, der aus Utah hierher versetzt wurde, fuhr einen Wagen mit Gangschaltung. Er gab damit an, dass er der einzige richtige Mann in der Abteilung sei und dass man dazu schon Können brauche. Dann fiel ihm eines Tages die Kupplung aus, und er rollte rückwärts in eine stark befahrene Kreuzung. Zum Glück wurde niemand verletzt. Jetzt fährt keiner in unserer Abteilung mehr einen Wagen mit Handschaltung, inklusive ihm. Ihr Haar sieht aus wie mein Schreibtisch.«
Ihr Kopf fuhr herum. »Was? Ich sehe wie Ihr Tisch aus?«
»Ihr Haar – es hat denselben Mahagoni-Ton.«
»Ach so. Mögen Sie Ihren Schreibtisch? Schätzen Sie den Lack? Polieren Sie ihn jeden Tag? Haben Sie ihn so gern, dass Sie nicht mal die Füße drauflegen?«
Er lachte, und jede Besorgnis fiel für den Moment von ihm ab. Er hatte in letzter Zeit nicht viel gelacht. Da war immer zu viel Müll bei der Arbeit, zu viele Ganoven, die ihm durch die Lappen gingen, zu viel Frust. Aber jetzt fühlte er sich richtig gut. Er sagte: »Nö, höchstens wenn ich barfuß bin. Ich bete meinen Schreibtisch geradezu an. Ich habe sogar Papier unter den Computer gelegt, damit er nicht den Lack zerkratzt. Ich will mit meinem Schreibtisch begraben werden.«
Sie lachte und berührte leicht sein Haar. »Ihre Haarfarbe erinnert mich an meinen alten beigefarbenen Subaru. Cremig, fast ein bisschen wie Karamell.«
Er bog von der Filbert Street ab und bog in der nächsten Minute in Wallace Tammerlanes weite Einfahrt ein. »Ach du lieber Himmel, eine Doppelgarage in San Francisco«, sagte Cheney. »Das alleine steigert den Wert des Anwesens ins Unermessliche.«
»Wahrscheinlich.«
»Julia, ich weiß, dass er Ihr Freund ist und dass Sie ihn gernhaben. Aber beobachten Sie bitte aufmerksam seine Körpersprache und seinen Gesichtsausdruck, okay?«
Sie sah ihm in die Augen und nickte dann.
Als er zur Eingangstür des extravaganten viktorianischen Hauses ging, sagte er: »Fallen Sie mir einfach ins Wort, wenn Sie es für passend halten.«
Er ließ sie wirklich teilhaben. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
KAPITEL 26
Ein von Kopf bis Fuß in gestärktes Schwarz gekleideter Mann öffnete die Tür. Er stand mitten im Eingang. Du meine Güte, ein Butler?
»Ja bitte? Kann ich Ihnen helfen?«
»Agent Cheney Stone, FBI. Das ist Mrs Julia Ransom. Wir haben einen Termin bei Mr Tammerlane.«
»Ich kenne Mrs Ransom. Sie sehen gut aus, Madam. Ich muss wirklich sagen, wie erleichtert ich bin, dass es Ihnen gut geht. Es ist eine Freude, Sie zu sehen. Treten Sie bitte ein.«
»Es ist auch schön, Sie zu sehen, Ogden.«
»Ich habe sehr bedauert, von Ihrem Kummer erfahren zu müssen, Mrs Ransom.«
Sie wurden in ein viktorianisches Wohnzimmer geführt, das mit mindestens hundert Jahre alten, dunklen Möbeln vollgestopft war, authentisch bis hin zu den Häkeldeckchen, die auf den Lehnen des Zweisitzersofas und der Sessel lagen. An den Wänden hingen dunkelrote Seidentapeten. Nippes – der Begriff, mit dem Cheneys Vater all den Krimskrams bezeichnet hatte, den seine Mutter im Wohnzimmer ausgestellt hatte – wohin das Auge sah. Dutzende kleiner geschnitzter Tiere, die entfernt afrikanisch aussahen, und viele winzige Teetassen und Untertassen, zweifellos mindestens so alt oder gar älter als das Mobiliar, füllten die Regale der Vitrinen. Nirgends war
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