Hass
Sie melden sich, wenn die Polizei irgendwelche Zeugen findet, ja?«
Als sie aus dem Haus in die Hitze des späten Nachmittags traten, klingelte Julias Handy. Sie entfernte sich ein Stück von den anderen. »Wallace? Ja, ich weiß. Hast du gehört, dass Kathryn entführt wurde? Nein, leider hat die Polizei keine Spur. Was …? Wir sind zu sechst. Ja, drei FBI-Beamte und ein Sheriff. Wirklich, Wallace, was …«
Sie hörte zu und legte kurze Zeit später auf. »Das war Wallace Tammerlane.« Für Ruth und Dix fügte sie hinzu: »Er ist ein Hellseher und Medium, einer von Augusts besten Freunden. Die Sache ist die, dass er uns alle gebeten hat, so bald wie möglich zu ihm zu kommen. Er sagte, es sei sehr dringend.«
Cheney fragte: »Aber warum? Was will er?«
»Das hat er nicht gesagt. Nur, dass es um Kathryn geht und sehr dringend ist.«
Ruth blickte von einem zum anderen. »Da haben wir wohl keine Wahl. Auf zum Hellseher.«
»Wieso komme ich mir nur so vor, als würde ich den Bus nach Nimmerland nehmen?«, fragte Dix seufzend.
KAPITEL 42
Als sie eine Stunde und zehn Minuten später bei Wallace Tammerlanes wunderschönem viktorianischen Haus ankamen, öffnete ihnen sein schwarz gekleideter Butler Ogden Poe die Tür und bat sie ins Wohnzimmer. Wallace und Bevlin saßen sich in Sesseln vor dem knisternden Feuer gegenüber.
»Was machst du denn hier, Bevlin?«, fragte Julia.
Bevlin zuckte die Achseln. »Wallace hat mich hergebeten. Je mehr Leute, desto besser.«
Was war besser?, fragte sich Sherlock. Doch sie erkannte einen Entertainer, wenn sie einen sah, und konnte warten. »Nette Hütte«, sagte sie, als sie und Julia das Wohnzimmer betraten. »Sehen Sie sich bloß die Teetässchen und Untertassen an. Solche habe ich im Victoria and Albert Museum in London gesehen. Ich frage mich, woher die ganzen Fotos vom Krimkrieg sind.«
Bevlin sagte zu Sherlock, als er sich erhob: »Ich mag den ganzen viktorianischen Kram nicht. Ich bin mehr für Platz und Aussichten.«
»Du bist ein kulturloser Hippie«, sagte Wallace. »Rote Sitzsäcke – es schüttelt mich schon, wenn ich das nur ausspreche.«
»Diese Sitzsäcke repräsentieren kleine lebhafte Daseinsbereiche«, sagte Bevlin. Was auch immer das bedeuten mochte, dachte Cheney.
»Das ist alles sehr interessant«, sagte Julia und war sich bewusst, dass die drei FBI-Beamten und Sheriff Dix Noble mit jeder verstreichenden Sekunde ungeduldiger wurden. »Aber wir haben Wichtigeres zu tun. Wallace, da du uns alle hergebeten hast, will ich einmal alle vorstellen.«
Wallace reichte den dreien vom FBI die Hand, wobei er vor jedem kurz abwartete. Zu Sherlock sagte er: »Manchmal sehen die Leute Sie an und lächeln, weil sie Ihr Wesen nicht erkennen. Das ist ein schwerer Fehler, oder?«
»Ja«, sagte Sherlock, »das sollte man meinen.«
Er wandte sich Ruth zu, musterte sie genau und nickte bedächtig. »Sie sind außergewöhnlich gut in Ihrem Job, Agent Warnecki. Sie sehen sehr viel.«
»Wir alle sehen manchmal viel zu viel, meinen Sie nicht auch?«, antwortete Ruth.
Als er vor Dix stand, hielt er inne. Schließlich sagte er: »Ich sehe einen fast verzweifelten Mann, Sheriff Noble. Der Grund ist mir nicht bekannt. Aber es ist klar, dass Sie frustriert und zornig sind.«
»Denken Sie?«, fragte Dix. »Sie sind richtig gut darin, Menschen zu deuten, oder?«
»Ja, Sheriff Noble, Sie sind hier im Hause eines Hellsehers, einfach weil Sie keine andere Möglichkeit sehen. Ich würde sagen, Sie sind von Ihren Kollegen wohl derjenige, der die meisten Vorbehalte gegenüber allem, was ich sage oder tue, hat. Bitte haben Sie Geduld.«
Dix schaute ihn mit versteinerter Miene an.
Wallace legte ihm leicht die Hand auf die Schulter. »Ich denke, am Ende tun Sie immer das, was nötig ist«, sagte er und trat zurück. Da musste Dix an Charlotte denken. Er hatte vergessen, sie anzurufen.
Wallace lächelte Julia zu, die nah bei Cheney stand. »Ihr zwei …«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Das Leben überrascht mich immer wieder.«
Als Wallace’ Blick auf Savich ruhte, nickte er still. Schließlich sagte er: »Ich habe Bevlin gebeten, auch zu kommen. Wie ich Julia schon sagte, je mehr Leute, desto besser für unsere Bestrebungen.«
»Welche Bestrebungen?«, fragte Cheney. »Kommen Sie, Wallace, genug um den heißen Brei geredet. Warum wollten Sie, dass wir kommen?«
»Na gut. Bevlin und ich machen uns Sorgen um Kathryn. Weil Sie nicht wissen, was der Verrückte mit ihr
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