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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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Vitrine klirrten.
    Mikes Vater seufzte und Evelyn war den Tränen nahe und starrte auf ihren Teller. Mit schlechter Luft bei anderen Leuten konnte ich noch nie gut umgehen. Jetzt wusste ich auch nicht wirklich, was ich machen sollte. Einfach Mike hinterherzulaufen, fand ich unhöflich. Schließlich hatten mich seine Eltern zum Essen eingeladen. Eigentlich wollte ich nur noch weg, um die unangenehme Situation möglichst schnell aufzulösen.
    »Ich geh dann jetzt wohl mal besser«, murmelte ich und schob sachte meinen Stuhl nach hinten. Evelyn sah mich an, als sähe sie mich in diesem Moment zum ersten Mal. »Ach, Michelle, es tut mir leid. Bleib doch noch.«
    »Nein, ich muss jetzt wirklich nach Hause. Vielen Dank für das Essen.«
    Puh, war ich froh, als ich wieder draußen stand. Keine Chance, noch mal mit Mike zu reden. Mist!
    Nachdem ich mein Rad von der U-Bahn-Station abgeholt hatte und wieder zurück war, überfiel mich Mom schon an der Wohnungstür mit einer Bitte: »Könntest du das Curry von den Richters zurückholen?«
    Wieso machst du das nicht selber? Ich war kurz davor loszumeckern, hatte aber keine Lust, so einen Streit wie eben bei den Saalfelds gleich noch mal by myself zu erleben. Deshalb knurrte ich nur etwas widerwillig und schlurfte wieder zurück zum Aufzug.

    Robin hat doch nie die Zähne auseinandergekriegt. (. . .)
    Ich glaub schon, dass Michelle ihn an der Berkel dazu zwingen wollte, endlich mal zu reagieren. In welcher Form auch immer (. . .)
    Nein, er hat nicht um Hilfe gerufen. (. . .)
    Nein, nach niemandem! (. . .)
    Nein, auch nicht. (. . .)
    Er hat wohl gedacht, dass ihn sowieso niemand hören würde. Es gibt Leute, die haben blinde Augen, obwohl sie sehen können. Robin hatte eine stumme Stimme - und die anderen hatten taube Ohren. Da ist man nicht nur einsam, sondern praktisch nicht existent (. . .)
    Michelle hat behauptet, er hätte sie immer nur genervt, ihr ständig das Gefühl gegeben, dass sie ihm was schuldet. (. . .)
    Robin ließ immer alles mit sich machen. Das hat mich manchmal so aggressiv gemacht, dass ich ihm am liebsten … Entschuldigung. (. . .)
    Weil er es herausgefordert hat, er hat keine Grenzen gesetzt. Er hat nie Nein gesagt. (. . .)
    Ich weiß nicht, ob er Michelle verschont hätte? Vielleicht hat er gedacht, wenn er sie nicht haben kann, soll sie auch kein anderer haben? Ist das nicht ein klassisches Psychopathen-Motiv? (. . .)
    Ja, ich hab die Tasche gesehen. (. . .)
    Natürlich wusste ich, dass auch dieser Amokschütze sein Gewehr in seiner Sporttasche dabeihatte. Aber wer denkt denn an so was? Denken Sie jedes Mal, wenn Sie jemanden mit einer Sporttasche sehen, gleich an einen Amokläufer mit Waffe? Entschuldigung, aber das ist doch Quatsch! (. . .)
    Ich hab mir einfach keinen Kopf gemacht. Nachher ist man immer schlauer! (. . .)
    Wenn es ein Frühwarnsystem für Amokläufer gäbe, wären wir fein raus. Aber es gibt ja nicht mal eins für Erdbeben und Tsunamis.

4
    Mit dem Aufzug fuhr ich eine Etage höher und landete direkt vor der Wohnungstür der Richters, die genau über uns wohnten. Die Wohnungen hatten auf jeder Etage dieselbe Lage, waren aber unterschiedlich geschnitten. Ich klingelte. Nichts rührte sich. Komisch. Mein Blick fiel auf das Schild über der Klingel: Lisa & Wolfgang & Robin. Mit einem roten Herz drum herum. Ich klingelte noch mal und nahm den Zeigefinger nicht mehr weg. Ich musste unbedingt mal aufs Klo, schon seit dem Essen bei den Saalfelds. Aber ich hatte ja seitdem keine Gelegenheit gehabt, da meiner Mutter nichts wichtiger war, als dass ihr ohnehin nie benutztes Gewürzregal wieder vollständig war. Also, entweder machte hier jetzt mal langsam einer auf oder ich würde wieder nach unten stürzen müssen. Ich wippte von einem Bein aufs andere, bis Robin endlich die Tür öffnete. Er hatte einen Bademantel an. »Oh, hi, ich wollte gerade baden«, entschuldigte er sich.
    »Macht nix, ich … kann ich gerade erst mal kurz bei euch aufs Klo?«, sagte ich und schob mich, ohne seine Antwort abzuwarten, an ihm vorbei ins Bad. Bei den Richters hing immer so ein fürchterlich Mief in der Wohnung, eine Mischung aus Zigarettenrauch und Essengerüchen. Puh! Bei denen hielt man sich deshalb sowieso am besten im Bad auf. Dort roch es nur nach Shampoo und Rasierwasser.
    Ich klappte die Brille hoch und war erst mal nur erleichtert. Die Badewanne war randvoll mit klarem Wasser. Die würde definitiv überlaufen, wenn sich Robin da auch noch reinlegen

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