Hassbluete
würde. Für mich gehörten zu einer heißen Wanne immer auch jede Menge Schaumberge – in Rosa und Weiß und so hoch es ging. Aber Jungs hielten wahrscheinlich nicht so viel von romantischen Schaumträumen. Eigentlich badeten Jungs sowieso eher selten, oder? Höchstens wenn sie krank waren und ihre Mütter es ihnen verordneten. Robin war schon echt ein komischer Kerl. Hielt sich so überhaupt nicht an den Mainstream. Ich drückte die Spülung und klappte den Deckel wieder runter. Ich wollte mir die Hände waschen, aber im Waschbecken weichte ein T-Shirt in trübem Waschmittelwasser vor sich hin. Da wollte ich meine Hände auf keinen Fall drin waschen. Dann lieber das unbenutzte Badewasser! Ich steckte einfach kurz meine Hände hinein. Merkwürdig. Es war kalt. Eiskalt. Zum Abtrocknen nahm ich das kleine Handtuch, das neben dem Waschbecken hing. Die anderen Haken waren beschriftet: Lisa, Wolfgang, Robin. Robins Schrift. Seine »Gs« waren tief nach unten geschwungen. Eine ziemliche Mädchenschrift. Sein Name war allerdings etwas verschmiert.
Als ich wieder rauskam, bemerkte ich, dass ich in der Eile vergessen hatte, die Tür abzuschließen. Robin wartete bereits auf mich.
»Ich soll das Curry zurückholen«, sagte ich. »Meine Mutter will Curry-Reis machen.«
»Ich guck mal in der Küche«, sagte Robin und verschwand. Wieder dieser schwere Geruch, ich schob mir meinen Sweatshirtärmel vor Nase und Mund und versuchte, die Luft anzuhalten. Wieso machte denn hier nicht mal jemand ein Fenster auf? Ich sah mich im Flur um. Die Tür zum Wohnzimmer stand offen. An der Wand neben der Tür stand ein Schreibtisch, übersät mit Zettelstapeln, daneben der Laptop, Bücherstapel auf der Erde. Wahrscheinlich würde das alles wie wild durcheinanderwirbeln, wenn man mal das Fenster aufmachte. Ich ging zum Schreibtisch und sah mir das Chaos an. Ganz oben auf lag ein frisch ausgedruckter Stapel Zettel, eng bedruckt und mit der Überschrift »Waterboarding«. Waterboarding? Ich dachte, Robins Vater würde ein Buch über Führungsstrategien für Manager schreiben? Ich musste kurz wieder an die Berkel denken. Neben dem Kapitel lag ein alter Spiegel-Artikel über Guantánamo und die Foltermethoden an den Häftlingen dort. Mein Hals wurde eng und mir wurde schwindelig. Im letzten Moment ging mir auf, dass ich immer noch die Luft anhielt, und panisch riss ich den Mund auf. Ich schnappte eine ganze Ladung von dem widerlichen Geruch. In dem Moment merkte ich, dass Robin hinter mir stand. Wie lange schon? Ich wendete mich um und er wedelte mit dem Curry-Tütchen vor meiner Nase herum. Es roch süßlich, ich mochte das Gewürz. Langsam wurde ich ruhiger.
»Wolfgang wollte kochen, aber jetzt holt er lieber meine Mutter von der Arbeit ab und geht mit ihr essen«, sagte er. In den Curry-Geruch mischte sich jetzt ein anderer Duft, der mich an Aftershave erinnerte. Hat Robin sich etwa heimlich in der Küche damit eingesprüht? Er deutete mein Schweigen wohl als Nachdenken und fügte hinzu: »Sonst könnten wir dich zum Abendessen einladen.« Da war es wieder – dieser lauernde Unterton, dieses Fordernde in seiner Stimme: Frag mich bitte, ob wir was zusammen machen!
»Ja dann, danke«, sagte ich, nahm das Tütchen und verabschiedete mich schnell. Nicht dass Robin noch auf die Idee kam, mich zu irgendwas einzuladen, weil er sturmfreie Bude hatte. Etwas schlug knallend gegen das Holz, als ich die Tür schwungvoll aufzog. Ich erschrak kurz, aber es war nur der Schlüsselbund mit allen Schlüsseln, sogar dem fürs Auto, der in der Wohnungtür steckte. Nachdrücklich zog ich hinter mir die Tür ins Schloss.
Ich lieferte gerade das Curry bei meiner Mutter ab, als Janni mich anrief. Mike, Daniel und sie wollten noch zum Partyplatz an der Berkel. Wir verabredeten uns zehn Minuten später am Spielplatz. Mike kam als Letzter die Straße runtergejoggt. Er war durchs Badezimmerfenster im ersten Stock und übers Dach der Autogarage entkommen. Daniel hatte ein Sixpack Dosenbier unter dem einen Arm und den anderen um Jannis Schulter gelegt. Mike wollte es ihm nachmachen, aber ich schüttelte seinen Arm ab. Wir schlenderten zum Fluss runter. Lachen und Hip-Hop drangen durch die Bäume. Dazu roch es mehr und mehr nach Barbecue. Die Clique aus dem Nachbarhaus hatte ein paar Meter weiter den Grill angeworfen. Mike und Janni hoben grüßend die Hand. Aber dann gingen wir ein Stück flussabwärts und ließen uns am Ufer nieder. Wir hielten die Füße ins Wasser
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