Hassbluete
dass Janni mehr als nur Freunde sein will«, antwortete er ausweichend.
»Oh, da kenne ich noch jemanden!« Aus dem Augenwinkel sah ich, dass Mike leicht errötete. Vielleicht kapierte er jetzt endlich, was er selbst hier eigentlich immer für eine bescheuerte Show abzog.
»Okay«, sagte er, »lassen wir das.« Er warf mir ein schiefes Lächeln zu, das leider wieder ziemlich verführerisch war, sodass ich diesmal diejenige war, die einen schweinchenrosa Kopf bekam und weggucken musste. Ich biss mir auf die Lippen, musste dann aber auch lächeln.
Ich wurde einfach nicht schlau aus Mike. Er war oft so dermaßen unterkühlt und dann wieder fühlte ich mich zu ihm hingezogen und hatte das Gefühl, dass er der Einzige war, der mich in manchen Dingen wirklich verstand. Ich hatte Vertrauen zu ihm, trotz seiner Ausbrüche und seines widersprüchlichen Verhaltens.
Als wir aufbrachen, dämmerte es schon. Janni und Daniel waren verschwunden, aber Robin stand immer noch auf der Brücke, wie zu einer Salzsäule erstarrt. Ich seufzte. Auch das noch! Ich versuchte, nicht an ihn zu denken, und bemühte mich, keinen Blickkontakt aufzunehmen. Wir sagten der Grill-Clique noch Tschüss, dann stapften wir zur Brücke. Doch als wir sie erreichten, war Robin plötzlich verschwunden. An der Stelle, wo er die ganze Zeit gestanden hatte, entdeckte ich rausgerupfte gelbe Blütenblätter von einem Löwenzahn. Mike bemerkte sie nicht und ich sagte nichts.
Vor dem Deep Blue Sea standen Daniel und Janni. Ob sie noch gar nicht drin gewesen waren? Bevor wir etwas sagen konnten oder Mike wieder eine spitze Bemerkung machen konnte, ging die Tür auf und Wolfgang kam heraus. Er warf den beiden einen verschmitzten Blick zu, lächelte dann uns an und sagte fröhlich: »Gute Nacht, ihr zwei.« Mike und ich antworteten wie aus einem Mund ebenfalls »Gute Nacht«, wodurch die anderen überhaupt erst auf uns aufmerksam wurden. Wolfgang trug Bluejeans und ein weißes Hemd. Auch in der Dämmerung sah man sein gebräuntes Gesicht, das trotz seiner ergrauten Haare noch sehr jugendlich wirkte. Um die Augen hatte er kleine Lachfältchen, die jetzt hervortraten, als er Janni zuzwinkerte. Sie kicherte. Als er an uns vorbeiging, konnte ich sein Aftershave riechen. In der stickigen Sommerschwüle wirkte es wie ein frischer Luftzug im Frühling. Keine Frage, dieser Kerl war extrem attraktiv. Und wenn er nicht mindestens zwanzig Jahre zu alt für mich wäre … Ich guckte ihm hinterher und erwischte mich dabei, wie ich ihm auf den Hintern starrte. Okay, Michelle, es reicht! Als hätte er meine Gedanken gelesen, drehte er sich in diesem Moment um und winkte uns noch einmal zu. Ich merkte, wie meine Wangen heiß wurden. Da rammte mir Mike seinen Ellenbogen in die Seite. »Hör auf, dem Opa schöne Augen zu machen! Der ist viel zu alt für dich.«
Janni kicherte schon wieder, sie war eindeutig etwas beschwipst. Daniel legte seinen Arm um sie.
»Ihr habt was verpasst«, zwitscherte Janni. »Wolfgang hat uns auf einen Happy-Hour-Cocktail eingeladen, XXL, so ein Gerät!« Sie zeigte mit beiden Armen die Größe eines Eimers. Auch Daniel hatte etwas glasige Augen. Vielleicht war er aber auch nur happy, dass Janni ihn endlich mal ein bisschen an sich ranließ, auch vor Mikes Augen, ohne ihn gleich wieder wegzustoßen.
»Habt ihr Robin noch auf der Brücke getroffen?«, fragte ich Janni und Daniel und wusste nicht, warum. Ich hatte niemandem gesagt, dass ich ihn dort gesehen hatte.
»Nicht schon wieder Robin«, maulte Mike und ging einfach weiter.
»Dann bis morgen«, rief ich Daniel und Janni zu und rannte Mike hinterher.
Kurz drauf verabschiedeten wir uns, er legte kurz einen Arm um mich und verschwand dann ohne ein weiteres Wort in der Dunkelheit.
Ich lief die Straße hinunter und dachte: Komisch, dass Wolfgang nach dem Essen mit Lisa in der Stadt offenbar allein auf einen Absacker gegangen war. Ich gähnte in die warme dunkle Nacht hinein.
Janni und Daniel hatten mich mittlerweile eingeholt und schlenderten noch ein paar Schritte neben mir her. Wolfgang verschwand gerade im Haus.
»Robin hat echt coole Eltern«, meinte Janni. »Wolfgang hat meinen Cocktail für sich bestellt, sonst hätte ich ihn gar nicht gekriegt.« Janni war ja auch erst fünfzehn. »Das erzähl mal nicht deinen Eltern«, sagte ich.
»Nee, ganz bestimmt nicht.« Sie lachte.
Daniel schüttelte ein bisschen den Kopf. Dann rief er »Tschüss, Michelle« und ich bog in unsere Hofeinfahrt
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