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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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ein.
    Meine Mutter schlief schon, als ich leise die Tür aufschloss. Ich hörte ihr Schnarchen durch die Schlafzimmertür. Auch ich war todmüde und fiel sofort ins Bett – und schlief wie ein Baby. Das letzte Mal für lange Zeit.

5
    Am nächsten Morgen fuhr ich allein mit dem Rad zur Schule, Mike wartete nicht wie sonst an der Durchfahrt auf mich. Janni und Daniel waren auch nirgends zu sehen und ich hatte keine Lust zu warten. Vielleicht musste Mike erst zur zweiten Stunde oder hatte verschlafen? Aber in den beiden Pausen tauchte er auch nicht auf. Ich nahm mir vor, am Nachmittag bei ihm vorbeizuschauen. Im Laufe des Vormittags wurde ich so unruhig, dass ich nach der Schule direkt zu ihm fuhr. Mike war nicht da. Seine Mutter meinte, dass Mike heute Morgen bei einem Vorstellungsgespräch für eine Praktikumsstelle gewesen sei.
    Dann fing sie noch mal vom Abend zuvor an: »Ich weiß manchmal nicht, was ich noch mit ihm machen soll?«, jammerte sie, als wäre ich ihre beste Freundin, der sie ihr Leid wegen der Kinder klagt. »Wenn er so ausrastet, kriege ich manchmal sogar ein bisschen Angst vor ihm.« Ich starrte etwas verlegen auf meine Stiefel, als wäre es meine Schuld, dass Mike sich manchmal so merkwürdig benahm.
    Seine Mutter bot mir an, in Mikes Zimmer auf ihn zu warten. »Du weißt ja, wo es ist«, rief sie und blieb unten an der Treppe stehen, bis ich oben angekommen war.
    Auf dem Flur im ersten Stock stand ein Stuhl, auf dem sich gebügelte Bettwäsche und Handtücher stapelten. Mikes Bett war wie immer ordentlich gemacht, was mich nicht davon abhielt, mich trotzdem darauf zu schmeißen.
    Ich starrte eine Weile an die Decke, bis ich beschloss, mir an Mikes nur mäßig bestücktem Bücherregal etwas zu lesen zu suchen. Ich warf einen flüchtigen Blick aus dem Fenster und erkannte Robin, der wieder mit dieser länglichen Tasche unterwegs war und direkt auf Mikes Haustür zulief. Die Tasche schien ziemlich schwer zu sein, denn er schleppte sich ganz schön daran ab. Offenbar hatte er sie noch mit einigem anderem befüllt, seit er sie aus dem Keller geholt hatte. Plötzlich blieb er abrupt stehen und machte ein ziemlich erstauntes Gesicht. Ich guckte nach unten zur Haustür. Die war wohl gerade aufgegangen – jedenfalls kam Robins Vater die Treppen herunter.
    Wo kam der denn plötzlich her?, stutzte ich. War der eben auch schon da gewesen? Evelyn hatte kein Wort davon gesagt. Ich hatte ihn auch nicht kommen hören. Wolfgang hatte schon wieder so ein Gewürztütchen in der Hand, wie ich es gestern erst für meine Mutter zurückgeholt hatte. Wolfgang ging auf Robin zu. Durch das gekippte Fenster hörte ich, wie er fragte: »Na, willst du Mike besuchen? Was schleppst du denn da alles mit dir rum?« Er wartete die Antwort nicht ab und sagte stattdessen: »Ich mach uns heute Paprika-Huhn.«
    »Hmm, toll«, hörte ich Robin leise. Wolfgang wollte ihm über den Kopf streicheln, aber Robin wich ihm aus. Sein Vater ließ sich nichts anmerken, schenkte Evelyn ein letztes strahlendes Lächeln, hob die Hand und rief: »Also dann!«
    Da kam auch schon Mike angeradelt und warf sein Rad auf den gepflegten Vorgartenrasen, das heißt, er warf es auf meins, das bereits dort lag, was seine Mutter sofort zu einem »Mike!« herausforderte.
    »Was gibt’s?«, fragte er Robin und sah auf die Riesentasche, die er geschultert hatte. »Spielst du Weihnachtsmann?«
    Noch bevor Robin antworten konnte, flitzte ich schnell die Treppe runter und stellte mich neben Mikes Mutter in die Tür. »Hi, Robin«, sagte ich. »Langeweile?«
    »Du kannst mir auch beim Kochen helfen, Robin«, rief Wolfgang von hinter der Hecke. Vielleicht wollte er ihn davor bewahren, sich zu blamieren.
    »Nein, wir haben was zu besprechen«, sagte Robin und marschierte auf die Haustür zu.
    Er klang so entschlossen, dass ich nichts erwiderte.
    Mike ging auch nicht darauf ein. Er überhörte es einfach. »Was gibt’s zu essen?«, fragte er seine Mutter stattdessen.
    Robin war jetzt doch einen Moment unsicher und blieb an der Treppe stehen. »Es geht auch ganz schnell«, sagte er.
    »Komm ruhig rein«, sagte Evelyn zu Robin und tauschte mit Wolfgang über die Hecke hinweg einen Blick.
    Mike verdrehte die Augen, während Robin in den Flur stapfte, als sei er hier zu Haus. Dann stieg er die Treppe hoch und Mike und ich folgten ihm. In Mikes Zimmer stellte Robin die Tasche vorm Bett ab und setzte sich darauf. Mike schloss hinter mir die Tür. Das Zimmer war mindestens

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