Hassbluete
weiß, auf diesem merkwürdigen neuen Handy von Robin waren Aufnahmen drauf, ja. Hat er wohl überspielt. (. . .)
Ja, auch das vom 1. Mai an der Berkel. Michelle hört man da ganz deutlich: »Lass uns endlich in Ruhe!«, hat sie geschrien. (. . .)
Nein, nein, gesehen hat man wenig, nur Grashalme. Das Handy lag wohl an der Uferböschung. (. . .)
Keine Ahnung, ob Robin das alles mit Absicht aufgenommen hat oder ob es Zufall war. Vielleicht ist ihm das Handy kurz vorher aus der Hand gefallen. (. . .)
»Ich kann nicht mehr«, hat er immer wieder gerufen. (. . .)
Nein, mit einem Stock. An dem ist Robin nicht vorbeigekommen, wenn er ans Ufer schwimmen wollte.
Irgendwann hat Michelle aber gesagt, dass es reicht. Sie hat Robin aus dem Wasser geholfen. (. . .)
Nein, ich glaube, Robin hat mit niemandem darüber gesprochen. (. . .)
8
Nach der Schule stand Mike nicht wie sonst im Sommer bei den Rädern, sondern am Haupteingang.
»Mike!«, sagte ich überrascht. Und irgendwie auch ein bisschen erleichtert.
Ich konnte und wollte nicht glauben, was ich über ihn erfahren hatte. Okay, die Geschichte an der Berkel war wirklich grenzwertig gewesen und ich hatte in dem Moment das Gefühl gehabt, Mike nicht zu kennen. Aber es war ja schließlich noch mal alles gut gegangen, wir hatten rechtzeitig aufgehört, das war das Wichtigste.
»Du bist heute ja gar nicht mit dem Rad gekommen«, sagte er.
Daniel und Janni kamen zusammen raus. Daniel sagte nur »Arschloch!« zu Mike und zog Janni mit sich fort, die offenbar eigentlich noch etwas zu Mike sagen wollte.
»Sie hat mich provoziert!«, schrie Mike den beiden nach.
»Man schlägt keine Frauen«, blaffte Daniel zurück.
»Ich hab sie nicht geschlagen!«, rief Mike, »erzähl nicht so einen Scheiß, Janni!«
Zu meiner Überraschung stellte Janni die Tatsachen diesmal nicht richtig.
Mike sah mich schuldbewusst an, aber mit einem Mal war ich mir nicht mehr sicher, ob es echt war oder er nur Theater spielte. Und plötzlich wusste ich auch nicht mehr, ob ich ihn mit all dem konfrontieren sollte, was Janni mir erzählt hatte.
»Wieso warst du heute nicht in der Schule?«, begann ich vorsichtig.
»Weil ich keine Lust auf Fragen hatte.«
»Auch nicht auf meine?«
Mike antwortete nicht sofort, hob nur seinen Blick. »Du kannst mich alles fragen«, sagte er. Er sagte es so, dass ich mich nicht mehr traute, es zu tun.
»Was ist jetzt eigentlich mit Robins Handy?«, nahm ich einen neuen Anlauf.
»Ich hab den Code nicht knacken können.«
»Du wolltest doch Daniel fragen«, hakte ich ein.
»Ich glaube, es ist besser, wenn die ganze Geschichte unter uns bleibt«, meinte Mike. »Hinterher drehen die uns aus der Sache am Fluss noch einen Strick.«
»Wer die?«
»Die Polizei, wenn Janni und Daniel denen was erzählen, oder so.«
»Aber es war doch ein Unfall, steht auch so in der Zeitung.«
»Und wenn nicht?«
»Du meinst …?« Dass es Selbstmord war?
»Was denkst du?«, bohrte Mike.
»Nichts, das heißt, ich weiß überhaupt nicht mehr, was ich denken soll.«
Die Zwillinge kamen vorbei, grüßten, halb mitleidig, halb arrogant und ich verstummte.
»Du glaubst, ich war es, stimmt’s?« Mike funkelte mich an.
»Was?«
»Hör zu: Ich war’s nicht. Ich hab nichts damit zu tun.«
»Dann glaubst du also, er hat sich selber …?« Jetzt war klar, was ich meinte.
»Nein … ich weiß es nicht. Das musst du mir glauben.«
»Wieso sollte ich dir nicht glauben?«
»Weil Janni vielleicht Mist erzählt hat.«
»Hast du ihr deshalb …?« Ich deutete auf mein Auge.
»Nein, das ist blöd gelaufen. Ich hab ihr nur … Ich wollte nur … Ich konnte nicht anders.«
»Konntest du bei Robin an der Berkel auch nicht anders?«
»Siehst du, es geht schon los.« Mike ballte die Fäuste, seine Fingerknöchel traten schon weiß hervor. »Das ist alles eine Frage der Perspektive – man kann es so oder anders sehen.«
»Und der Schlüssel?« Mist, jetzt war es mir rausgerutscht. »Der aus dem Keller, Robins … Er ist nicht mehr da«, log ich.
»Was?«, tat Mike überrascht und log mir eiskalt ins Gesicht. Er hatte doch selbst danach gesucht. »Gehen wir noch mal nachsehen«, schlug er vor.
Der Gedanke, mit Mike allein in dem stickigen, von kaltem Rauch besetzten Raum zu sein, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Dass ich gestern noch in Mikes Armen gelegen hatte, konnte ich mir in diesem Moment nicht mehr vorstellen.
»Nein, ich muss nach Hause. Meine Mutter ist total
Weitere Kostenlose Bücher