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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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nicht drangehen würde und ich wieder anfangen müsste, mir Gedanken zu machen. Doch dann nahm er doch ab. Zumindest war das Klingeln unterbrochen, aber ich hörte nur merkwürdige Geräusche und ein komisches Knacken.
    »Mike?«, fragte ich. Mein Magen krampfte sich zusammen. »Mike?«
    »Michelle«, wimmerte er am anderen Ende der Leitung.
    »Wo bist du Mike? Mein Herz schlug bis zum Hals.
    »Ich bin …«, röchelte er und dann wie mit letzter Kraft »Tsunami«.
    »Ich komme«, schrie ich in den Hörer, legte aber nicht auf – auch wenn er mir nicht mehr antwortete. Er legte aber auch nicht auf. So blieben wir weiter verbunden. Ich stürzte an meiner Mutter vorbei zur Wohnungstür. Mom sah mich erschrocken an. »Michelle, was ist …« Ich antwortete nicht, wartete nicht auf den Aufzug, sondern stürzte die Treppen hinunter. Unterwegs rief ich immer wieder etwas in mein Handy, damit er wusste, dass ich unterwegs zu ihm war. Aber auf mein »Wo bist du?« und mein »Sag mir, wo du bist?« bekam ich keine Antwort. Auch nicht auf meine Vorschläge »Deep Blue Sea«?, »Partyplatz an der Berkel?«, »Keller?«. Irgendwann sagte ich nur noch: »Halt durch, Mike, ich bin gleich da.«
    Aber ich war weit davon entfernt, da zu sein. Mom war mir hinterhergerannt und holte mich an der untersten Treppe ein. Sie stellte keine weiteren Fragen, drückte mir nur eine Taschenlampe in die Hand. Sie hatte wohl genug mitbekommen, um zu verstehen, dass es um Mike ging und er in Gefahr war.
    Wir liefen, so schnell wir konnten, zuerst in den Keller. Dort war er nicht. Mom sah sich zwar erstaunt in unserem Raum um, sagte aber nichts weiter.
    Dann rannte ich zu Mikes Eltern. Ich klingelte Sturm und rauschte an der verdatterten Evelyn vorbei, die mir im Bademantel die Tür öffnete und sich gerade über die späte Störung beschweren wollte. Ich ließ sie nicht zu Wort kommen. »Ist Mike da?«, schrie ich sie an und raste die Treppe rauf in Mikes Zimmer.
    »Nein, er ist …«
    Das Oberbett lag immer noch auf der Fensterbank, aber das Zimmer war leer. Gerade platzten Mikes Eltern herein, als ich mich umdrehte und weiterwollte, jetzt in Richtung Berkel. Mom kam die Treppe rauf. »Susanne, was ist denn los?«, fragte Evelyn sie.
    »Ich weiß es nicht so genau. Michelle glaubt, dass Mike in Gefahr, vielleicht verletzt ist. Sie hat versucht, ihn anzurufen …«, hörte ich sie noch antworten, dann war ich wieder zur Tür hinaus. Der Mond war noch höher gestiegen und spendete ein milchiges Licht. Auf dem Fußballplatz spielte ein Junge im Schein der Laterne mit sich selber Fußball. Auf dem Kinderspielplatz entdeckte ich Janni und Daniel, die nebeneinander auf der Schaukel saßen. Jannis Kippe glühte in der Dunkelheit, Daniel hatte Kopfhörer auf.
    »Janni!«, rief ich. »Janni und Daniel, wir müssen Mike suchen!« Ich sah noch, wie Janni Daniel anstieß, und lief schon weiter.
    »Mike, warte auf mich, ich komme«, flüsterte ich immer wieder ins Handy. Aber er sagte nichts mehr.
    Als ich die Brücke erreichte, wollte ich zuerst ans andere Ufer laufen, weil wir da Robin ins Wasser geschmissen hatten. Mom hatte mich wieder eingeholt und wir beratschlagten uns kurz. Dann beschlossen wir, zuerst das Flussbett auf unserer Seite abzusuchen. Ich wusste nicht, warum ich beschlossen hatte, hier nach ihm zu suchen. Mike konnte sonst wo sein. Aber diese blinde Sucherei war besser, als nichts zu tun. Wenn er hier irgendwo war, würde ich ihn finden. Jetzt wäre es günstig, wenn Mike auflegen würde – dann könnte ich ihn mit seinem Handyklingeln finden. Aber die Verbindung stand immer noch und ich wollte nicht riskieren, sie zu kappen, falls Mike doch wieder etwas sagen würde.
    »Wir teilen uns auf, du gehst in diese Richtung am Ufer entlang, ich in die andere«, schlug meine Mutter vor. Und als Janni und Daniel endlich angelaufen kamen, teilte sie die beiden gleich mit ein: Daniel zu mir, Janni zu sich.
    »Mike ist was passiert«, erklärte ich keuchend. Ich war völlig außer Atem.
    Mein Bauchgefühl sagte mir, dass er sich irgendwo in der Nähe der Brücke befand. »Nein, wir suchen doch zuerst auf der anderen Seite«, sagte ich und spurtete schon los. Meine Mutter und die anderen rannten hinter mir her.
    »Mike, wir sind gleich da«, schrie ich ins Handy, doch da hörte ich das Besetztzeichen. Aufgelegt.
    Ich drückte die Wahlwiederholung und wenig später hörte ich den Soundtrack von Fluch der Karibik. Es war weiter weg und nur schwach zu

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