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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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bezweifle ich.«
    »Aber er kann sie ja trotzdem wirklich lieben!?«, entgegnete ich.
    Wolfgang war so ziemlich der perfekteste Ehemann, den ich kannte. Ich kannte zwar nicht viele und hatte kaum Vergleichsmöglichkeiten, aber Wolfgang schien einfach wesentlich vernünftiger, gelassener und freundlicher zu sein als andere Familienväter in meinem Umfeld.
    »Entweder man liebt oder nicht, wirklich lieben gibt’s nicht für mich«, erklärte Mom jetzt.
    »Was glaubst du, wie Lisa reagiert, wenn sie das erfährt?«
    »Sie bringt ihn um«, platzte es aus ihr heraus. »Nein, natürlich nicht«, beeilte sie sich hinzuzufügen. »Aber das wird eine große Enttäuschung für sie, vielleicht die größte. Ich glaube, ein gemeinsames Kind ist für sie der absolute Liebesbeweis. Ich möchte nicht an Wolfgangs Stelle sein, wenn er ihr mal seinen Standpunkt erklären muss.«
    »Du meinst, sie kann so richtig ausrasten!?« Das konnte ich mir bei Lisa nicht vorstellen.
    Meine Mutter nickte: »Wer kann das nicht, wenn man in die Enge getrieben wird oder einem die ganze Lebensplanung von einem Moment auf den anderen zerschlagen wird!?«
    »Aber wenn man den anderen doch liebt!?«
    »Besonders dann! Die Menschen, die einen lieben, können einen auch am meisten verletzen.«
    Trotzdem konnte ich Mikes Liebe noch nicht eindeutig erkennen und sein ewiges Hin und Her verwirrte mich eher.
    »Ich hab Lisa gesehen«, schlug ich ein anderes Thema an.
    Der Blick meiner Mutter verriet, dass sie sofort wusste, worauf ich hinauswollte.
    »Sie kam nicht direkt von der Arbeit, sie kam hier aus dem Haus.«
    »Moment mal«, meine Mutter setzte sich an den Tisch und schaute mich ernst an. »Was heißt das? War sie oben in der Wohnung?« Sie deutete mit dem Zeigefinger zur Decke.
    »Ich hab sie im Treppenhaus gesehen, bevor ich Robin …«, ich bremste ab. »Sie ist nach oben gegangen.«
    Ich deutete ebenfalls in Richtung Wohnzimmerdecke.
    »Was willst du damit sagen?«
    »Nur, dass sie gelogen hat.«
    »Aber warum?«
    Ich zuckte mit den Schultern und ließ den Gedanken, der damit verbunden war, unausgesprochen. Mom verstand den Gedanken auch ohne Worte und sagte: »Sie hat Robin geliebt, er war ihr ein und alles.«
    Ich zuckte noch mal mit den Schultern und setzte mich auch an den Tisch, ihr gegenüber.
    Wir schwiegen lange und ich sah, wie es hinter Moms Stirn arbeitete.
    Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und fragte: »Was überlegst du?«
    »Ich glaube nicht, dass Lisa Robin jemals etwas hätte antun können.« Mom warf mir einen bedeutungsschweren Blick zu.
    »Du hast so lange gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, die du vorher auch schon hattest?«, fragte ich zweifelnd.
    Mom seufzte. »Ich halte Lisa für eine sehr vernünftige Frau, aber was diese Kinderfrage angeht, ist sie wirklich etwas verbissen. Ich glaube, sie hat die Vorstellung, Wolfgang nur mit einem Kind für immer an sich binden zu können. Aber das würde natürlich noch nicht erklären, wieso sie Robin dafür loswerden wollte. Nein! Das macht wirklich überhaupt keinen Sinn und ist vollkommen abwegig. Michelle, bitte versprich mir, dass du keine Gerüchte in die Welt setzen wirst!«
    »Aber vielleicht passte Robin einfach nicht in dieses heile Familienbild, das ihr absolutes Ideal war. Vielleicht hatte sie einfach nicht daran geglaubt, dass auch eine Patchworkfamilie glücklich und perfekt sein kann«, erwiderte ich. Mir fiel dieser Artikel zu Patchworkfamilien wieder ein, den ich bei den Richters auf dem Wohnzimmertisch entdeckt hatte.
    »Nein!«, sagte Mom bestimmt. »Sie würde Robin nicht für so ein Ideal opfern. Niemals. Michelle, Robin ist vom Balkon gestürzt. Es war ein Unfall!«
    Ich überlegte, ob ich ihr doch erzählen sollte, was ich mittlerweile herausgefunden hatte. Von dem Abschiedsbrief. Aber ich ließ es bleiben. Es war zu riskant und brachte wahrscheinlich auch nichts, weil Mom da auch wieder den Inhalt anzweifeln würde. Vielleicht hatte sie auch recht und das Ganze war wirklich viel zu weit hergeholt. Nur weil ich so ein verdammt schlechtes Gewissen hatte, spielte ich hier die Detektivin. Vielleicht war ich wirklich dabei, einem Phantom hinterherzujagen und sollte mich besser mal auf mich selbst und mein Gefühlschaos konzentrieren. Und auf Mike!
    Ich musste ihn anrufen, sehen, ich musste einfach!
    Noch auf dem Weg in mein Zimmer drückte ich seine Kurzwahl auf meinem Handy. Es klingelte mehrmals hintereinander und ich hatte schon Angst, dass er

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