Hassbluete
.)
Von Robin war er jedenfalls nicht, auf keinen Fall. Dafür kenne ich ihn zu gut. Also, dafür hab ich ihn zu gut gekannt. (. . .)
Natürlich macht das alles keinen Sinn! Das muss mir keiner hier sagen. Ich würde alles dafür geben … (. . .)
Danke, ja. Ich mach mir halt nur solche Vorwürfe! (. . .)
Wir waren den ganzen Abend zusammen, haben geredet. (. . .)
Ich glaub, das hat uns beiden gutgetan. Das dachte ich jedenfalls. (. . .)
Das konnte ich doch nicht ahnen, dass nicht nur Robin … dass das passieren würde!? Wenn ich das gewusst hätte … (. . .)
Ja, das hätte ich verhindern müssen. Wenn nicht ich – wer sonst!?
11
Mom und ich waren nebeneinander auf dem Sofa eingeschlafen. Sie hatte die Arme um mich gelegt, und als ich die Augen öffnete, spürte ich ihren warmen Atem in meinem Nacken. Vorsichtig löste ich mich aus ihren Armen und richtete mich auf. Die Balkontür stand noch offen und kühle Nachtluft wehte herein.
Ich lächelte. Dann ging ich, als hätte ich für einen Moment alles vergessen, auf den Balkon und rekelte mich. Es war ein strahlender Sternenhimmel, die Grillen zirpten und ich atmete tief ein. Der Mond stand über den Baumspitzen und am Rande des gegenüberliegenden Waldstücks sah ich den Mondschein in der Berkel glitzern. Auch Mikes Haus sah im Mondschein friedlich aus.
Sein Oberbett hing immer noch aus dem Fenster. Er war also noch nicht ins Bett gegangen. Zu Janni und Daniel konnte ich nicht rüberschauen, ihr Haus stand etwas nach hinten versetzt.
Ob ich Mike jemals verstehen würde? Ansonsten würde ich auch nicht mit ihm zusammen sein können. Da war ich mir jetzt sicher. Denn wie sollte ich ihm vertrauen, wenn er sich immer so widersprüchlich verhielt und ich nie wusste, was mich im nächsten Moment erwarten würde? Hoffentlich machte er nichts Unüberlegtes, wenn er jetzt versuchte, alles wieder in Ordnung zu bringen. Was auch immer er damit meinte, wie auch immer er das anstellen wollte.
Ich trat an die Balkonbrüstung und guckte hinunter. Die Straßenlaterne spendete etwas Licht. Ganz schön tief! Da konnte einem schon beim Runtergucken schwindelig werden.
Plötzlich legte sich von hinten eine Hand auf meine Schulter. Vor Schreck fuhr ich zusammen und taumelte. Vor meinem inneren Auge lief in Sekundenschnelle ein Film ab, in dem ich im nächsten Augenblick endgültig das Gleichgewicht verlieren und wie Robin in die Tiefe stürzen würde. Dann krallte ich mich am Geländer fest und hatte mich wieder gefangen.
»Pass doch auf!«, motzte ich Mom an, die neben mich trat und mir den Arm um die Schulter legte.
»Entschuldige«, flüsterte sie und drückte mich kurz an sich.
»Alles in Ordnung da unten?«, hörte ich Lisa Richter von oben rufen. Aha, die waren also auch noch wach.
»Ja«, sagte ich laut. »Alles in Ordnung.«
Obwohl es mittlerweile schon sehr spät geworden war, hatte ich nicht das Bedürfnis, schlafen zu gehen. Nach dem kurzen Nickerchen auf dem Sofa war ich jetzt hellwach. Mom stand immer noch neben mir und guckte mit mir in den Sternenhimmel. Nach einer Weile fragte sie: »Ist was mit Mike?« Ich warf ihr einen erstaunten Blick zu. Es war selten, dass sie mich direkt nach Sachen fragte.
»Wenn du nicht drüber reden willst, okay«, sagte sie beschwichtigend und wandte sich ab. Ich folgte ihr mit einem »Doch« ins Wohnzimmer zurück. Von der Berkel würde ich ihr nicht erzählen, aber vielleicht konnte sie mir für Mike einen Tipp geben. »Mike ist in letzter Zeit so komisch«, sagte ich. »Ich erkenne ihn nicht wieder und ich weiß überhaupt nicht mehr, wer er wirklich ist.«
Mom betrachtete mich nachdenklich, dann antwortete sie: »Du jagst einem Phantom hinterher. Diese Frage lässt sich nicht beantworten.«
»Welche Frage?« Ich verstand nicht.
»Die Frage danach, wie ein Mensch wirklich ist. Wir sind immer alles, nur in unterschiedlicher Ausprägung. Und mal tritt die eine Eigenschaft mehr in den Vordergrund und mal die andere. Und vieles scheint oft ganz anders, als es in Wirklichkeit ist.«
»Wie meinst du das?«
»Lisa und Wolfgang zum Beispiel. Sie wirken nach außen wie ein Traumpaar, finde ich.«
»Aber?«
»Na ja, wenn man mal ein bisschen an der Oberfläche kratzt, entdeckt man schnell den einen oder anderen schwarzen Fleck. Von Wolfgang weiß ich zum Beispiel, dass er auf keinen Fall ein Kind mit Lisa zusammen haben will. Ich denke, weil er Angst hat, sich so stark an sie zu binden. Ob Lisa das allerdings auch weiß,
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