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Hasstament

Hasstament

Titel: Hasstament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serdar Somuncu
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lassen und jetzt meinen, den dicken Otto machen zu können in ihrem Wichs-BMW, hahaha.
    Ja, da gibt es viele Dinge, die mir einfallen.
    Zum Beispiel sich beschweren über Leute, die drängeln: ›Hey, alle drängeln‹, aber man selbst drängelt auch. Ich hab’ zum Beispiel chronische Angst davor, keinen Tisch zu bekommen in Restaurants, Pommes-Buden oder in der Lobby vom Puff, und deswegen drängle ich immer und beeile mich. Dabei ist das totaler Quatsch, weil ich genau weiß, wenn ich ’ne Stunde später käme, dann könnten die Tische ebenso leer oder voll besetzt sein. Es geht nur in meinem Kopf darum, dass ich das Gefühl habe, schnell, schnell, schnell, sonst verpasst du was.
    Gier ist auch so ein Ding. Man nimmt lieber 2, 3, 4, 5 mehr von irgendwas mit, weil man Angst hat, dass es zu wenig sein könnte.
    (Serdar guckt in den Rückspiegel.) Jetzt drängelt er schon wieder. Am schlimmsten ist übrigens, wenn einer in so einem Daihatsu drängelt. Wo man ganz genau weiß, der drückt mit dem Fuß bis zum Anschlag aufs Gas, und dann tippt man aber selber so ein bisschen aufs Gas und schon sind wieder 15 Kilometer Entfernung zwischen dem Daihatsu-Pimmelkopf und meiner Fettsau-Karre. Ja, und jetzt überhol’ mal in deinem Daihatsu, Chinesenkopf.
    Hm, man regt sich also permanent bei anderen über die Dinge auf, die man selbst so gerne macht, aber wahrscheinlich hat das seine Berechtigung, man will ja der Einzige sein, der Dinge macht, über die sich andere aufregen könnten. Man will sich ja nicht über die Dinge aufregen, die die anderen machen, ist ja vollkommen berechtigt. Deswegen mache ich mir da auch gar keine Gedanken drüber. Ich finde dieses ewige Vergleichen und den Kampf um Gerechtigkeit auch vollkommen schwachsinnig und total christlich. Religiös überhöht, behandle den anderen so, wie du selbst behandelt werden willst. Oder was du dir selbst an Gutem tust, das tue auch dem anderen an, an Schlechtem.
    Wir sind doch alle Egoisten. Wir halten es doch nicht aus, wenn jemand genauso ist wie wir.
    Jetzt bin ich vor lauter Wut viel zu schnell gefahren und fahre dem Daihatsu gleich wieder auf, hehehe und der denkt: ›Warum kriecht der erst mit 100 und dann kommt er wieder mit 180 an.‹
    Ja, alles nur ein Frage der Unterhaltung, heheheh.«

    SRHN, Kapitel 16: Raabigramm
    Serdar im Auto: »Der Raab, ey, der Raab ist so ein Kacka, ey. Wo ist der eigentlich hergekommen?
    Der ist da hergekommen, wo alle hergekommen sind, die uns heute auf die Eier gehen. VIVA und MTV. Soll ich mal aufzählen: Gülcan Kamps, Joko und Klaas, Stefan Raab, Matthias Opdenhövel, Heike Makatsch, Charlotte Roche. Der ganze Dreck. Alle Leute, die heute irgendwas zu sagen haben im Fernsehen, mittlerweile Produzenten sind oder Bücher schreiben, Fernsehsendungen konzipieren oder uns belästigen mit ihren Sandkastenspielchen, getarnt als fünfstündige Fernsehshows, die sind irgendwann mal aus dem Arsch von VIVA geplumpst.
    Damals waren sie ja noch jung. Jung und verdorben und verwegen waren sie und ein bisschen punkig. Der Raab am Anfang auch, hat so eine schräge Brille getragen und dünne lange Löckchen gehabt und mit seinem Banjo oder Mandoline oder Ukulele oder wie dieses Fickinstrument heißt ist er immer zu irgendwelchen Leuten gegangen. Aber nur weil es Terrorismus war, was er gemacht hat und Anarchismus, haben ihn die Leute geliebt. Jetzt ist er Staatsterrorist und Staatsanarchist in einem. Ja, nur weil er aufbegehrt hat gegen die Großen und Mächtigen der Unterhaltungsindustrie, hat man ihn geliebt. Weil er Rudi Carrell ein Raabigramm gesungen hat und so frech und so dreist war, im Angesicht des größten Showstars der Welt, ihn zu diskreditieren. Da hat man sich gedacht: ›Was für ein Frechdachs, dieser Raab‹, und als es dann noch weiterging und Böörti Vogts kam und all seine großen Songs und Errungenschaften, da hat man gedacht: ›Das ist doch endlich mal was Neues im Deutschen Fernsehen. Ein frischer Wind weht durch die vermuffte Stube des Deutschen Fernsehens.‹
    Aber wie das immer so ist mit Anarchisten und Terroristen, irgendwann werden sie zum Teil des Mainstreams und dann lassen sie sich vereinnahmen. Spätestens wenn der erste Preis winkt. Der Fernsehpreis oder der Grimme-Preis, der Kimme-Preis oder der Scheißdreck-Preis. Dann werden sie korrumpierbar, dann nehmen sie lieber den Preis, als zu sich selbst zu stehen, und ziehen sich Anzüge an und Krawättchen und winken und gratulieren und danken ihren

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