Hasstament
vielleicht dadurch abnehme, ja, oder wieder zunehme dadurch, dass ich den anderen beim Essen zugucke. Ich ess’ kaum was, aber ich nehm’ zu, wenn ich zugucke. Mir wird genauso übel, als hätte ich mir die Wampe vollgeschlagen.
Und ich fühl’ mich als Teil dieser Promiwelt, ja, das kommt dazu, ich identifizier’ mich mit den Promis. Ich sehe, ah, die haben die gleichen Wohnungen wie ich, die gleichen IKEA-Möbel, die kochen die gleiche Scheiße wie ich und die fressen die gleiche Scheiße, die scheißen in die gleiche Kloschüssel, ja, die zupfen sich genauso oft am Zipfel rum wie ich, ja. Prominent sind sie nur, im Gegensatz zu mir, prominent. Pro – mi – nent. Antiminent eher. (Pause) Und das alles sonntags. Statt Tatort zu gucken, dreieinhalb Stunden lang Promi- (Pause) Duell, obwohl ’se sich ja nicht erschießen, leider.«
SHN, Kapitel 81: Schlimm
Serdar im Auto: »Ich hab’ jetzt überlegt, was ist eigentlich das Schlimmste, was man sagen kann. Also das schlimmste Wort, das einem einfällt, das man sagen kann. Fotze zum Beispiel, das ist schon einigermaßen schlimm, oder Judenfotze, auch nicht so unschlimm. Oder KZ-geile Huren-Juden-Fotzen-Sau, auch okay. Oder Drecksschwein-Neger-Huren-Juden-Fotzen-Sau-KZ-Gaskammer-Popel-Pimmel. Für mich nichts besonders Schlimmes, aber ich glaube, schlimmer wird’s, wenn man es zu jemandem sagt, dann kriegt’s ’n Wert. Also wenn ich jetzt zu ’ner Fotze… Kazen… Judo-Sau… vergessen, was sage, dass sie es ist, dann fühlt sie sich beleidigt, weil ich es ihr sage, obwohl sie vielleicht, dass sie es ist, weiß.
Noch schlimmer ist, wenn man gar nichts Schlimmes sagt, aber was Schlimmes meint. Also Farbiger zum Beispiel zu ’nem Neger sagt oder zu ’nem Bimbo also zu dem Farbiger sagt, obwohl man eigentlich Bimbo denkt oder Nigger. Nigger ist auch ’n schlimmes Wort.
Und am schlimmsten ist, wenn man Dinge sagt, die sich im Kopf des Gegenübers zu etwas Schlimmen vereinen, jahaha. Zum Beispiel menstruationsblutschlürfendes Drecksschwein-Lutschgesicht-Arschkimmen-Fotzennutte. Dann baut der andere das in seinem Kopf zusammen. Der sieht das Menstruationsblut strömen, ins Arschfotzengesicht. Ja, und beschwert sich dann aber bei mir, weil ich das Bild in seinem Kopf habe entstehen lassen.
Schlimm ist auch Mongo zum Beispiel. Mongomuschi ist auch ganz schlimm. Mongo-Fotzen-Muschi-Juden-Sau. Jude muss immer dabei sein, das ist schlimm, weil’s verboten ist und weil die Juden sich so herrlich aufregen, wenn man was über sie sagt. Und KZ ist so ’n Ding, je nachdem, wo man’s sagt. In Deutschland ist KZ nicht so gern gehört, in Polen zum Beispiel ’ne gängige Abfolge von Konsonanten, sehr unverdächtig. Kaczynski, da ist auch KZ drin, da erinnert man sich nur an ’n Flugzeugabsturz, aber nicht gleich an Öfen und Gaskammern. Übrigens auch ’n sehr heikles Wort: Gaskammer. Alles, was mit Gas zu tun hat. Für mich ist eines der schlimmsten Wörter, die ich kenne, ›nein‹! Ja, nein! Oder nicht. Oder niemals! Oder nö. Oder nee, nee, hehehe. Ja, weil es irgendwas wie eine Haltung ausdrückt, die gegen ist, erstmal gegen mich, wenn ich nein höre. Aber natürlich für mich, wenn ich nein sage, insofern ist nein auch wieder ein ambivalentes Wort. Schlimm bleibt es, weil man ja Mut braucht, um selbst nein zu sagen, und Kraft, um das Nein der anderen zu ertragen. Nein ist also nichts besonders Gesprächsförderndes. Nein ist was Gesprächsabbrechendes, was Kriegserzeugendes. Nein! Nein! Nein! Ja, kommt auch drauf an, wie man’s sagt, also ob man sagt: ›Neeiin! Neeein!‹ Oder ob man sagt: ›Mmmh, joooa, ääähh, nein.‹ Ja und dann regen sich Leute noch darüber auf, dass man Fotze sagt, wo es doch viel, viel, viel, viel schlimmere Dinge gibt.
Wenn man ’n Kind zum Beispiel fragt, was das schlimmste Wort ist, dann sagt das Kind: ›Pummi pummu pamma pipi popo balla tiki kaka kuku kiki‹, weil das Kind auch in seiner Vorstellung darin etwas ganz Schlimmes sieht.
Es kommt also nicht auf die Formulierung an, sondern auf die Absicht. Und wenn die Absicht sauber ist, wenn die Absicht nur dafür gedacht ist, irgendetwas auszudrücken, was man sonst mit Worten nicht ausdrücken kann, dann ist es in Ordnung.
Wenn aber die Absicht verunreinigt ist und die Formulierung nur sauber klingt, dann ist es eine Schweinerei.
Ich fahre jetzt zu meinem Nachbarn oder zu dem nächsten Nachbarn, den ich finde, dann klingel’ ich an der Tür und habe eine
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