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Hasstament

Hasstament

Titel: Hasstament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serdar Somuncu
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werden. Ihre Geilheit nicht mehr unter Kontrolle haben, lenken können, im Zaum halten können. Aber da ist es uns scheißegal, ob in irgendwelchen Katalogen kleine Mädchen abgebildet werden in Dessous oder sich Zehnjährige schon schminken oder wie viel Andeutung in der Werbung schon steckt, wenn irgendwelche Weiber an Eis lecken oder Flaschen nuckeln, da wird man doch geil von.
    Ich finde sowieso, das, worauf man geil wird, ist nicht abhängig davon, worauf man geil werden darf. Ja, meistens wird man sowieso viel geiler auf die Dinge, auf die man gar nicht geil werden darf, und das findet man dann geil, weil man weiß, dass man es nicht darf. Wahrscheinlich ist das ein beträchtlicher Teil der Erregung, den Kinderficker haben, wenn sie den Jungs auflauern und sich mit ihnen alleine wähnen und sich dann vorstellen, wie sie es zelebrieren, das Verbrechen. Ja, und dann vielleicht sogar eine Erregung spüren, wenn sie erwischt werden, weil sie vielleicht sogar erwischt werden wollen und das ein Teil ihrer verkappten Geilheit ist. Am besten ist es immer dann, wenn die Gesellschaft aufschreit und moralisch wird und Lynchjustiz fordert. ›Alle aufhängen, Schwanz abschneiden.‹ Jaaa, sich selbst muss man aufhängen, weil man diesen Leuten die Phantasien in den Kopf gesetzt hat, es ermöglicht hat, dass sich die Phantasien in ihren Kopf setzen, weil man vorher sehr unvorsichtig war und sich erst als die Bombe explodiert ist, aufgeregt hat und darüber überrascht war, wie viel grausames Ausmaß das Menschliche doch haben kann. Das schlimmste Verbrechen, das ich kenne, ist Ignoranz, Gleichgültigkeit. Dafür müsste man Leuten den Kopf abhacken.«

    SMHN, Kapitel 22: Sinnlose Telefonate
    Serdar im Auto: »Was gehen mir sinnlose Gespräche auf den Sack. Sinnlose Telefonate. Ständig wird telefoniert. ›Hallo, äh wir sind gerade gelandet.‹ Kaum ist der Flieger gelandet, da schalten sie alle wieder ihr Handy an, um ihren Schätzchen mitzuteilen, dass sie heil und sicher angekommen sind: ›Wir sind gerade gelandet.‹ Und kurz bevor sie in den Flieger steigen, da geben sie ihrem Schätzchen bekannt, dass sie gleich in die Luft gehen: ›Äh, wir steigen jetzt gerade ein.‹ Bis zur letzten Sekunde lassen sie das drecks Handy an, damit ja die Verbindung aufrecht bleibt, und meistens sind es ja Leute, die gar keine Bekannten haben, die so viel telefonieren. Ja oder Geschäftsleute mit so Romika-Schuhen, schlechten Gürteln und schief sitzenden Anzügen: ›Äh ja, äh Müller hier. Herr Schabanowski wir haben jetzt noch mal über ihre Lieferung gesprochen‹, und so devot, wie sie dann sind, bringen sie sowieso nichts zustande, sondern bestätigen nur. Da könnten sie das Telefonieren auch lassen und gleich dem Kunden ins Arschloch kriechen und ihm seine Reste aus dem Darm schlecken, Pisser! Aber wahrscheinlich wollen sie der Welt nur zeigen, dass sie wichtig sind und zu jeder Tages- und Nachtzeit irgendwelche Leute haben, die sie anrufen können. Oder die werden sogar angerufen von irgendwelchen Leuten zu jeder Tages- und Nachtzeit. So ein Scheiß, und mich damit belästigen. Ich sollte mal die Leute mit meinen Telefonaten belästigen und sagen: ›Hallo, ist da der Escort-Service? Schicken Sie mir mal schnell 13 Nutten vorbei, ich hab’ gerade einen Ständer und weiß nicht, wie ich ihn wegkriegen soll.‹
    Scheiße ey, dieses Telefonieren. Eben bin ich im Supermarkt, an der Kasse vor mir steht ’ne Alte, die telefoniert die ganze Zeit, die ganze Zeit und redet aber nur Dünnschiss oder sagt gar nichts, nur: ›Ja, ja, hmmm, ja, ja, hmm, ja‹, als ob das nicht warten kann, bis sie ihren Scheiß gekauft hat und zuhause ist und niemand was davon mitbekommt. Nein, aber das muss sie in der Öffentlichkeit machen und degradiert mich damit gleichzeitig zum Zeugen ihrer sinnlosen Gespräche. Verfickte Scheiße, diese sinnlosen Gespräche gehen einem nur noch auf den Sack, vor allen Dingen von fremden Leuten. Ich will im Zug nicht wissen, wie sich die Stimme von meinem Gegenüber anhört und was es morgens getan hat und wann es krank gewesen ist und wohin es nächste Woche in den Urlaub fährt. Das interessiert mich einfach nur einen Scheißdreck. Ich will auch nicht, dass er weiß, woher ich komme und was ich mache, mit wem ich vögele und worüber ich lache. Drecksscheiße! Alles ist transparent, alles ist gegenwärtig, ja allgegenwärtig. Selbst die Videos, die man von sich selbst aufzeichnet, landen irgendwann auf

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