Hast du mich nie geliebt
Vater einer Tochter bin. Bis jetzt."
Nikos hatte wie erstarrt zugehört. Ein Muskel zuckte in seiner Wange, ansonsten blieb er völlig unbewegt.
"Du … du behauptest also, Janine sei deine Tochter?" Der Zweifel war deutlich aus seiner Stimme herauszuhören.
"Ich behaupte es nicht nur. Es ist so."
Zum ersten Mal ergriff Janine das Wort. Sie sprach so leise, dass Nikos sie kaum verstehen konnte.
"Aber du … du hast doch gesagt, du wüsstest Bescheid über Stephanos und mich."
Nikos wandte sich ihr zu und merkte, dass sie sich nur noch mit Mühe aufrecht hielt.
"Ich wusste, dass du seine Geliebte bist", sagte er tonlos.
"Oh nein!" Janine sah ihn an, als hätte er den Verstand verloren. "Wie konntest du so etwas auch nur denken?"
"Meine Schwester hat es mir gesagt. Weshalb sollte ich daran zweifeln?"
Es verschlug ihr die Sprache, stumm starrte sie ihn an. Er war noch immer derselbe Mann, dem sie vorhin mit Freuden bis ans Ende der Welt gefolgt wäre.
Und doch war er ein ganz anderer.
"Die ganze Zeit …", das Sprechen fiel ihr schwer, "… die ganze Zeit über hast du gedacht, ich sei Stephanos' … Stephanos' …"
"Janine! Mein Liebling!" Ihr Vater, der sah, welche Qualen sie litt, streckte die Hand nach ihr aus.
Aber Janine hielt es plötzlich nicht mehr aus. Sie hatte das Gefühl, in einem Meer von Schlamm zu versinken. Ohne ein Wort drehte sie sich um und lief aus dem Zimmer. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Sie flüchtete ins Badezimmer, wo sie endlich allein sein konnte.
Es war ein einziger Albtraum. Es gab nichts, woran sie sich festhalten konnte, nichts, was ihr Sicherheit verlieh. Und das Schlimmste – es gab keinen Ausweg. Aus diesem Albtraum würde sie nie wieder erwachen.
Ihr war schlecht. So schlecht, dass sie fürchtete, sich übergeben zu müssen. Mit letzter Kraft ließ sie sich auf dem Rand der Badewanne nieder und begann, am ganzen Leib zu zittern.
Immer wieder ging ihr die Szene auf der Terrasse durch den Kopf. Sie konnte es einfach nicht fassen. Nikos, dem sie sich hingegeben hatte, hatte geglaubt, sie sei die Geliebte von Stephanos. Die ganze Zeit über hatte er diesen Gedanken gehabt.
Die Geliebte eines verheirateten Mannes. Die Geliebte des Mannes seiner Schwester …
In diesem Licht hatte er sie gesehen, dazu hatte er sie für fähig gehalten.
Es war ein einziger riesiger Schock.
Er war der Bruder von Demetria. Nikos Kiriakis war Stephanos' Schwager.
Ein Mann mit einer Mission. Mit dem Auftrag, die Ursache für Stephanos' Betrug an seiner Frau zu beseitigen. Indem er sie verführte, was ihm ja auch gelungen war.
Kaltblütig, ohne Gefühl. Er war gekommen, um sie zu verführen. Allein deshalb hatte er ihre Bekanntschaft gesucht.
Janine sprach es laut aus, als würden die Worte so mehr Gewicht bekommen.
"Nikos Kiriakis hat mich bewusst verführt. Er hat gedacht, ich wäre die Geliebte von Stephanos. Nur deshalb hat er mit mir geschlafen. Das bedeutet, alles, was zwischen uns passiert ist, war Lüge."
Alles.
Selbst die letzten Minuten, in denen sie allein gewesen waren und sie geglaubt hatte, er wolle sie heiraten, waren nichts anderes als Teil eines einzigen Betrugsmanövers gewesen.
Janine befürchtete, jeden Moment ohnmächtig zu werden. Vor ihr tat sich ein Abgrund auf, der sie zu verschlingen drohte.
Plötzlich hörte sie Stimmen aus dem Schlafzimmer. Laute, wütende Männerstimmen. Sie konnte nichts verstehen, denn natürlich sprachen beide Männer griechisch. Nikos schien sich zu verteidigen, Stephanos klang aufs Höchste gereizt. Dann war es ruhig.
Jemand klopfte an die Badezimmertür.
"Janine!" Es war Stephanos.
Sie antwortete nicht.
"Janine, mein Liebling! Bitte mach auf! Ich muss mit dir reden."
Ihr Vater klang so besorgt, so eindringlich.
Ihr Vater – noch immer hatte Janine sich nicht an den Gedanken gewöhnen können, dass sie nicht mehr allein war. Wie oft hatte sie ihre Mutter nach der Identität ihres Vaters gefragt, aber immer nur vage Antworten erhalten. Schließlich kam sie zu der bitteren Erkenntnis, dass ihre Mutter auf Grund ihrer zahlreichen Liebhaber selbst nicht wusste, wer der Vater ihres Kindes war .
Irgendwann hatte Janine es dann aufgegeben, ihren Vater jemals zu finden. Nur durch einen Zufall waren sie sich begegnet. Einen Zufall, der so unwahrscheinlich war, dass es ihr wie eine Fügung des Schicksals erschien.
Nie würde Janine diesen Moment vergessen. Sie hatte am Flughafen Heathrow in London auf ihr Gepäck gewartet
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