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Hastings House

Hastings House

Titel: Hastings House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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schien sich fast zu einem Lächeln durchzuringen, dann drehte sie ihre Hand so, dass sie seinen Griff erwidern konnte. Ihr Händedruck war kraftvoll und vermittelte das gleiche Gefühl von Verzweiflung, das in ihrer Stimme mitschwang.
    Einige Minuten lang unterhielten sie sich noch über Genevieve, und während die junge Frau auf dem Foto für ihn langsam lebendig wurde, machte sich Joe bereits erste Gedanken darüber, wo er mit seinen Nachforschungen anfangen würde. Zunächst einmal wollte er sich ansehen, was die Polizeiarbeit ergeben hatte. Dann würde er dort ansetzen, wo die Polizei aus gesetzlichen Gründen nicht ermitteln durfte.
    Es waren noch andere im Haus.
    Das wusste er von Anfang an.
    Zunächst war es nur ein vages Gefühl. Sie nahmen keine Notiz von ihm, schienen ihn nicht zu sehen oder nicht wahrzunehmen. Dennoch war ihm bewusst, dass er nicht allein war.
    Zum Beispiel war da diese Frau in der Küche. Sie stand immer am Herd und rührte in etwas, von dem er glaubte, es sei ein Topf über einer offenen Feuerstelle. Sie war jung und hübsch und nach der Mode aus der Kolonialzeit gekleidet, zu der auch eine kleine Morgenhaube gehörte. Er konnte nicht sagen, ob sie eine Geliebte oder eine Dienerin war, er wusste nur, dass sie während ihrer Arbeit eine kleine angenehme Melodie vor sich hin summte. Von Zeit zu Zeit straffte sie die Schultern, drückte den Rücken durch und verzog schmerzhaft ihr Gesicht. Dann drehte sie sich um, riss entsetzt die Augen auf und sank zu Boden … wo ihre Gestalt verblasste und verschwand.
    Dann war da der Soldat an der Eingangstür. Er stolperte ins Haus und klammerte sich dabei an die neblige Silhouette eines anderen Individuums. Er flüsterte etwas von Verrat, dann fiel auch er hin und verblasste.
    Er wollte keiner von ihnen sein. Er wollte nicht bis in alle Ewigkeit im Anrichtezimmer neben dem Herd stehen, amüsiert über etwas lachen, einen Blick durch den Raum werfen … und dann in der Erinnerung an eine Explosion verschwinden.
    Nach einer Weile erkannte er jedoch, dass die anderen mehr taten, als nur wieder und wieder die letzten Augenblicke ihres irdischen Daseins zu durchleben. Sie nahmen sich untereinander wahr, obwohl sie sich zu Lebzeiten vermutlich nie begegnet waren. Von Zeit zu Zeit kamen sie zusammen, während er …
    Nein, er musste sich keine Sorgen machen, für immer und ewig das Anrichtezimmer heimzusuchen. Nicht einmal das brachte er zuwege. Er konnte nur … wahrnehmen.
    Also warum war er dann hier? Lediglich, um den Schmerz zu spüren? Nur um sich nach der Frau zu sehnen, die er so geliebt hatte, und vor Angst um sie zu vergehen? Verdammt, das war nicht gerecht. Er hatte ein anständiges Leben geführt, womit hatte er diese harte Strafe verdient?
    Auch andere Menschen waren mit ihm zusammen hier gestorben, aber wo waren sie? Keinen von ihnen hatte er jemals wieder gesehen.
    Er sah die Arbeiter, hörte sie reden. Vielleicht sollte er dankbar dafür sein, wenigstens so noch Kontakt zu der Welt zu haben, die einst seine war. Die Wut in ihren Stimmen darüber zu hören, dass er in einem so unnötigen, dummen Unfall gestorben war. Sie hatten in respektiert und bewundert. Gut zu wissen, aber trotzdem war er immer noch tot.
    Dann kam der Tag, an dem die Frau am Herd sich zu ihm umdrehte und ihn ansah. Sie lächelte sogar flüchtig. Vielleicht war er wenigstens für sie real geworden. Sie kam zu ihm, und es fühlte sich an, als würde sie wie eine liebevolle Schwester über seine Wange streichen. “Es braucht seine Zeit”, lächelte sie ihn an.
    Flüsternd erwiderte er: “Warum?”
    Traurig hob sie die Schultern. “Gerechtigkeit? Etwas, das die Welt noch erfahren muss? Der Mann, der mich ermordet hat, kam ungestraft davon. Vielleicht ist es zu spät, und die Welt wird es niemals erfahren. So viel Zeit ist seitdem vergangen. Doch so schlimm ist es wirklich nicht. Vielleicht sind wir hier, weil wir noch mehr lernen müssen.”
    Ihre Berührung hatte etwas Tröstendes. Wenig später nahm auch der Soldat ihn wahr.
    Dann aber drängte sich ihm eine Frage immer deutlicher auf:
Warum?
Es musste einen Grund dafür geben, dass er noch hier war und die anderen, die in der Nacht gemeinsam mit ihm gestorben waren, nicht.
    Diese eine Frage beherrschte seine Gedanken, erfüllte ihn mit dem Wunsch, die Antwort zu finden, das Rätsel dessen, was passiert war, zu lösen.
    Manchmal jedoch dachte er auch an Leslie. Oh Gott, wie sehr hatte er sie geliebt …
    Es war spät am

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