Hastings House
vermissten Prostituierten – oder wenn die Medien sich stärker als üblich dafür interessierten.
Greta schob sich an ihm vorbei, bis sie vor Leslie stand.
“Wir freuen uns alle sehr, Sie zu sehen, meine Liebe. Wenn Sie nicht hätten herkommen wollen, wäre niemand hier beleidigt gewesen.” Leslie sah die ehrliche Besorgnis in den blaugrauen Augen, die prompt wieder diesen ziehenden Schmerz in ihrem Herzen auslöste. Aber sie musste darüber hinwegkommen. Und es war ja auch wirklich reizend von Greta, dass sie sich solche Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie Leslie, Brad und Professor Layman hier willkommen heißen konnte.
Greta war nicht nur mit dem sprichwörtlichen goldenen Löffel im Mund geboren worden, sondern mit einem ganzen Besteckkasten. Ihre Vorfahren waren Pelzhändler, die auf einer Stufe mit den Astors standen. In New York geboren und aufgewachsen, liebte sie die Stadt und ihre Geschichte über alles. Dank dieser Liebe galt sie als eine wichtige – vielleicht sogar die wichtigste – Kraft auf dem Gebiet des Restaurierens und der Archäologie.
“Ich liebe diese Stadt, und ich fühle mich sehr geehrt, dass ich an diesem neuen Fund mitarbeiten darf.” Leslie schaute die ältere Frau dankbar an.
“So geht es uns allen”, warf Brad rasch ein, lief dann jedoch rot an. “Na ja, der Professor ist ja ohnehin eine anerkannte Kapazität, aber für Leslie und mich ist es eine große Ehre, dass wir ein so hohes Ansehen in der Stadt genießen.”
“Nun, Sie beide sind nicht nur äußerst talentiert”, sagte Ken Dryer. “Sie haben auch ein Herz für unsere Stadt und kennen sich hier aus.”
“Es ist schön, dass Sie alle hergekommen sind”, sagte Leslie lächelnd. “Ich dachte, der Professor und Brad würden mir helfen, mich in aller Ruhe hier einzuquartieren, doch so wie es aussieht, wartet ja wohl eine Dinnerparty auf uns.” Sie versuchte, möglichst begeistert zu klingen.
“Oh, außer uns und dem Partyservice ist niemand hier”, meinte Greta. “Ich dachte einfach, ich müsste Sie irgendwie empfangen.” Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: “Ach Leslie … Sie wollen wirklich im Haus bleiben? Also, hier
schlafen?”
Leslie verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. “Das möchte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen.”
“Aber Sie bleiben nicht?”, wandte sie sich mit einem missbilligenden Unterton an Brad.
Brad zuckte mit den Schultern und entschied sich für eine unbeschwerte Antwort. “Bedauerlicherweise hat Leslie keinen Zweifel daran gelassen, dass sie nicht mit mir schlafen möchte.”
Greta fand das gar nicht witzig.
“Sorry, ich wollte nur einen Spaß machen”, stellte Brad rasch klar. “Ich habe ein Apartment in Manhattan, während Leslie bis nach Brooklyn müsste. Darum ist es für sie praktischer, wenn sie hier übernachtet.”
“Von hier aus kann ich die Ausgrabungsstätte zu Fuß erreichen”, erklärte Leslie und versuchte, Greta zu beruhigen. “Ganz ehrlich, Greta, ich liebe es hier. Ich gebe dem Haus nicht die Schuld an dem, was passiert ist. Ich möchte hier bleiben.”
Greta sah zu Professor Laymon. “Und Sie bleiben auch nicht?”, fragte sie knapp.
Laymon war diese Frage sichtlich unbehaglich. “Greta, wir haben darüber gesprochen, und es ist ganz allein Leslies Entscheidung. Ich habe auch eine Wohnung in der Stadt”, erklärte er und hob hilflos die Hände.
Greta schüttelte den Kopf, sodass ihr silberner Bob um ihr hübsches Gesicht tanzte. “Oh, oh”, murmelte sie unglücklich. “Es gibt keinen Wachmann, müssen Sie wissen, außer in den Zeiten, wo das Haus für Besucher geöffnet ist. Natürlich haben wir eine Alarmanlage, sogar das neueste Modell. Aber eine Bewachung rund um die Uhr kann sich die Historische Gesellschaft leider nicht leisten.”
“Eine hochmoderne Alarmanlage ist erheblich mehr als das, was ich in Brooklyn habe”, versicherte Leslie. Als Greta sie ansah und sich zu einem Lächeln durchzuringen versuchte, wurde Leslie klar, dass die Frau die Party nur arrangiert hatte, damit es möglichst lange dauerte, bis sie allein im Haus sein musste. Unwillkürlich senkte Leslie den Kopf, damit Greta ihr Lächeln nicht sah. Dann schaute sie wieder auf. “Dieses Haus hier ist fantastisch. Ich habe es von Anfang an geliebt. Wie ich gehört habe, wurden die Schäden so perfekt repariert, dass man nichts mehr davon sieht, was … was passiert ist. Und … wie läuft es mit den Touristen? Kommen viele Leute her, um sich
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