Hasturs Erbe - 15
keiner von beiden enge Freunde in der Baracke hatte. Die Offiziere begannen bald, sie zusammen mit Aufgaben zu betrauen, wenn dafür Partner erforderlich waren, wie beim Säubern des Raums, was die Kadetten abwechselnd erledigten, und da Regis und Danilo etwa von gleicher Größe und Gewicht waren, steckte man sie auch bei unbewaffneten Kampfübungen und Spielen zusammen. In der Gruppe des ersten Jahrgangs nannte man sie in freundlichem Spott die „Klosterbrüder”, weil sie, wie die Brüder in Nevarsin, bewußt Casta sprachen und nicht Cahuenga.
Zuerst verbrachten sie auch den Großteil ihrer Freizeit miteinander. Danach merkte Regis jedoch, daß Danilo seine Gegenwart weniger häufig suchte und fragte sich, ob er etwas getan haben mochte, was den anderen Jungen beleidigt hatte. Dann hörte er zufällig, wie ein Kadett aus dem zweiten Jahrgang Danilo spöttisch gratulierte, weil er sich seinen Freund sehr klug ausgesucht habe. Etwas in Danilos Gesicht sagte ihm, daß er diesen Scherz nicht zum ersten Mal hörte. Regis wollte sich ihm offenbaren und irgend etwas tun, Danilo verteidigen, den älteren Kadetten schlagen, irgend etwas. Doch ein zweiter Gedanke sagte ihm, daß dies Danilo noch mehr beschämen und einen vollständig falschen Eindruck vermitteln würde. Kein Scherz, das merkte Regis, hätte Danilo stärker verletzen können. Er war arm, sicher, doch die Syrtis-Familie war alt und ehrenwert und hatte es niemals nötig gehabt, sich um eine Patronage oder Gunst zu bemühen. Von diesem Tag an begann Regis, selbst auf die anderen zuzugehen, was keine leichte Sache war, denn er war scheu und hatte Angst vor Zurückweisungen. Er versuchte klarzustellen, zumindest gegenüber Danilo, daß er es war, der Danilos Gesellschaft suchte, sie begrüßte und vermißte, wenn sie ihm nicht gewährt wurde. Heute war er es gewesen, der den Balkon vorgeschlagen hatte, hoch über Schloß Comyn, von wo aus sie die Stadt und den Raumhafen sehen konnten.
Die Sonne ging nun unter, und die rasche Dämmerung begann den Himmel zu überziehen. Danilo sagte: „Wir müssen zurück in die Kaserne.” Regis zögerte, die Stille dort zu verlassen, das Gefühl des Friedens, doch er wußte, Danilo hatte recht. In einem plötzlichen Impuls, sich ihm anzuvertrauen, sagte er: „Dani, ich möchte dir etwas sagen. Wenn ich meine drei Jahre bei der Wache abgedient habe - ich muß das, weil ich es versprochen habe -, möchte ich diese Welt verlassen. Ich möchte in den Raum. In das Imperium.”
Dani starrte ihn überrascht und erstaunt an. „Warum?”
Regis öffnete den Mund, um die Gründe aufzuzählen, und merkte plötzlich, wie er nach Worten suchte. Warum? Er wußte es kaum. Außer daß es eine fremde, andere Welt war, die die Aufregung des Unbekannten versprach. Eine Welt, die ihn nicht überall daran erinnerte, daß er um sein Erbe betrogen worden war, ohne Laran geboren wurde. Doch ab heute … Dieser Gedanke verstörte ihn auf merkwürdige Art. Wenn er in Wirklichkeit Laran hatte, dann hatte er keinen Grund mehr. Doch er wollte seinen Traum noch nicht aufgeben. Er konnte es nicht in Worten ausdrücken, doch augenscheinlich erwartete Dani auch keine. Er sagte: „Du bist ein Hastur. Werden sie dich gehen lassen?”
„Ich habe das Versprechen meines Großvaters, daß er in drei Jahren nichts dagegen haben wird, wenn ich immer noch gehen will.” Er merkte mit einem schmerzhaften Stich, daß sie ihn sicher nie gehen lassen würden, wenn er doch Laran haben sollte. Die atemberaubende Aufregung des Unbekannten hielt ihn wieder im Griff; er zitterte, als er sich entschloß, es vor ihnen zu verbergen.
Danilo lächelte scheu und sagte: „Ich beneide dich fast. Wenn mein Vater nicht so alt wäre oder wenn er einen anderen Sohn hätte, der sich um ihn kümmerte, würde ich mit dir kommen wollen. Wenn wir doch zusammen gehen könnten!”
Regis lächelte ihn an. Er fand keine Worte, um die Wärme zurückzugeben, die er empfing. Doch Danilo sagte bedauernd:
„Aber er braucht mich. Ich kann ihn nicht verlassen, solange er noch lebt. Außerdem …” Er lachte ein wenig. „… Nach allem, was ich gehört habe, ist unsere Welt besser als ihre.” „Aber es gibt bestimmt Dinge, die wir von ihnen lernen können. Kennard Alton ist nach Terra gegangen und hat viele Jahre dort zugebracht.”
„Ja”, sagte Dani gedankenvoll, „doch danach ist er auch wieder zurückgekommen.” Er blickte auf die Sonne und sagte: „Wir werden zu spät kommen. Ich will
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