Hasturs Erbe
schien bei dieser Bewegung Schmerzen zu haben. Er sagte: »Verdammt, ich will einen Jungen deines Alters nicht mit Lord Sowieso anreden. Genau das ist falsch an unserer Welt!«
Regis beugte sich über die Hand, wie er es auch bei seinem Großvater getan hätte. »Ich habe Euch falsch beurteilt, Lord Aldaran. Ich bitte Euch um Verzeihung. Bitte nehmt meine Sorge um einen Waffenbruder als Entschuldigung an.«
»Hmm«, sagte Aldaran wieder. »Mir scheint, wir Aldarans schulden dir auch eine Abbitte. Bob, schick sofort Beltran zu mir!«
»Onkel, er ist sehr beschäftigt mit …«
»Mir ist völlig egal, womit er beschäftigt ist. Bring ihn her, aber schnell!« Er ließ Regis Hand los und sagte: »Ich werde dich bald wiedersehen, Junge. Du bist mein Gast. Bleib in Frieden hier. Du bist hier willkommen!«
Regis fühlte sich verwirrter als je zuvor, als er nach Verlassen des Zimmers neben Kadarin durch die Hallen schritt. Was ging hier vor sich? Was hatte Lew Alton damit zu tun? Es war warm in den Fluren, und er hätte gern den Umhang abgelegt. Plötzlich fühlte er sich sehr hungrig und müde. Seit mehr Tagen, als ihm bewußt war, hatte er keine warme Mahlzeit gehabt und in keinem Bett geschlafen, denn während der Krankheit hatte er völlig das Zeitgefühl verloren.
Kadarin betrat ein kleines Zimmer und sagte: »Ich glaube, Lew ist hier bei Beltran.« Regis zwinkerte erstaunt, als er zunächst nur das helle Feuer und den Boden mit dem weißen Vogelmosaik sah. Phantasien wirbelten durch seinen Kopf. Danilo war nicht hier, wie in dem Traum, doch Lew stand mit dem Rücken zu ihm neben dem Feuer. Er blickte hinab zu einer Frau, die eine kleine Harfe auf dem Schoß hielt. Sie spielte und sang. Regis hatte das Lied in Nevarsin schon gehört; es war unermeßlich alt und hatte ein paar Dutzend Namen und Strophen:
Wie kommt das Blut an deine Hand?
Bruder, sag’s mir, sag’s mir.
Es ist das Blut eines Wolfes, grau und alt,
Der lauerte hinter dem Busch.
Der Vortrag wurde unvermittelt abgebrochen. Lew drehte sich um und blickte Regis verdutzt an.
»Regis!« sagte er und trat rasch auf die Tür zu. »Was machst du denn hier?« Er streckte die Arme aus, um ihn zu umfangen, dann sah er ihn näher an, ergriff ihn bei den Schultern und hielt ihn fest. Heftig sagte er: »Ist das wieder eine von Beltrans …«
Regis reckte sich. Er wollte sich gern in Lews Arme fallen lassen, sich an ihn lehnen, aus Müdigkeit und tiefsitzender Furcht zusammenbrechen – aber nicht vor diesen Fremden. »Ich bin auf der Suche nach Danilo hierhergekommen. Javanne hat in ihrem Kristall gesehen, daß er von Aldarans Männern gefangengenommen wurde. Hattest du deine Hand mit im Spiel?«
»Gott behüte!« sagte Lew. »Wofür hältst du mich? Ich versichere dir, es war ein Versehen. Komm und setz dich, Regis! Du siehst müde und krank aus. Bob, wenn man ihn schlecht behandelt hat, verlange ich dafür den Kopf von jemandem!«
»Nein, nein«, sagte Kadarin. »Lord Kermiac hat ihn als seinen eigenen Gast begrüßt und ihn direkt zu dir geschickt.«
Regis ließ sich von Lew zu einer Bank am Feuer führen. Die Frau spielte einen leisen Akkord auf der Harfe. Eine andere Frau, noch sehr jung, mit langem, glatten, roten Haar und einem hübschen, entrückten Gesicht, nahm seinen Umhang und sah ihn mit forschendem Blick direkt an. Kein Mädchen in den Domänen würde ihn jemals so ansehen. Er hatte das unbehagliche Gefühl, sie kenne seine Gedanken und mache sich darüber lustig. Lew nannte die Namen der Frauen, doch Regis war nicht in dem Zustand, sie sich merken zu können. Man stellte ihm Beltran von Aldaran vor, der fast unmittelbar darauf das Zimmer verließ. Regis wünschte sich, auch die anderen würden gehen. Lew setzte sich neben ihn und fragte: »Wie bist du daraufgekommen, diesen langen Weg allein zu reiten, Regis? Nur wegen Danilo?«
»Ich bin ihm verschworen. Wir sind Bredin«, sagte Regis leise. »Geht es ihm wirklich gut? Ist er kein Gefangener?«
»Er ist als Ehrengast mit allem Luxus untergebracht. Du wirst ihn sobald du willst sehen.«
»Aber ich verstehe das alles nicht, Lew. Du bist mit einer Mission der Comyn hierhergereist, und jetzt finde ich dich hier mit fremden Angelegenheiten beschäftigt. Was bedeutet das alles?« Sobald sich ihre Hände berührt hatten, standen sie in Kontakt miteinander, und Regis merkte, wie er sich verwundert fragte: Ist Lew zum Verräter an den Comyn geworden? Als Antwort sagte Lew ruhig: »Ich
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