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Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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haben. Wenn er seine persönlichen Gefühle nicht beherrschen kann …« Mein Vater streckte die Hand aus und legte sie in einer Geste seltener Zärtlichkeit auf die meine. »Mein Sohn, glaubst du, ich weiß nicht, wie er sich bemüht hat, dich zu der gleichen Handlung zu provozieren? Aber ich habe dir vertraut, und ich hatte recht. Ich bin über Dani enttäuscht.«
    Aber es gab einen Unterschied. Wenn Dyan auch vielleicht gröber war, als viele Leute es bei einem Offizier für angemessen halten, hatte er doch mir gegenüber nichts unternommen, was gegen die Regeln des Kadettenkorps verstoßen hätte. Das sagte ich und fügte hinzu: »Verlangen die Vorschriften, daß ein Kadett auch das von einem Offizier aushalten muß? Grausamkeit, ja, sadistische Disziplinierungen sind schlimm genug. Aber eine solche Bedrohung, eine Bedrohung in Form eines sexuellen Angriffs …«
    »Welchen Beweis hast du dafür?«
    Es war wie eine kalte Dusche. Beweis? Ich hatte keinen. Nur den befriedigten, triumphierenden Blick Dyans, die Scham bei Danilo und ein telepathischer Blick in ein Bewußtsein, das zu lesen ich kein Recht hatte. Moralische Gewißheit, ja, aber keinen Beweis.
    »Lew, du bist zu sensibel. Auch mir tut es um Dani leid. Aber wenn er Gründe hatte, sich über Dyans Behandlung zu beklagen, gibt es den formalen Weg …«
    »Gegen die Comyn? Er dürfte wohl gehört haben, was dem letzten Kadetten, der das versucht hat, zugestoßen ist«, sagte ich bitter. Wieder und wieder, gegen alle Vernunft, stand Vater auf der Seite der Comyn, auf Dyans Seite. Ich sah ihn fast ungläubig an. Selbst jetzt konnte ich noch nicht glauben, er würde dieses Unrecht nicht wiedergutmachen.
    Immer. Immer hatte ich ihm vollständig, selbstverständlich und sicher vertraut, war überzeugt gewesen, daß er irgendwie für Gerechtigkeit sorgte. Rauh, ja, und fordernd, aber immer gerecht. Und nun hatte Dyan getan – wieder getan –, was ich immer von ihm erwartet hatte, und mein Vater war bereit, es zu vertuschen, diese monströse Ungerechtigkeit zu ertragen und Dyans korrupte und gemeine Rache.
    Und ich hatte ihm vertraut! Hatte ihm wörtlich mit meinem Leben vertraut. Ich hatte gewußt, als er mich auf die Alton-Gabe hin überprüfte, daß ich im Falle seines Versagens einen raschen, schmerzhaften Tod sterben würde. Ich hatte ein Gefühl, ich müsse in einen solchen Tränenstrom ausbrechen, der mich umbringen würde. Wieder glitt die Zeit für mich aus den Angeln, und wieder stand ich, ein zitternder Elfjähriger, vor ihm in vollständigem Vertrauen und erwartete die Berührung, die mir das volle Recht der Comyn bringen würde – oder den Tod! Ich spürte den Ernst dieser Minute und entsetzliche Angst, wollte jedoch das Vertrauen in mich rechtfertigen, sein Vertrauen, daß ich sein wahrer Sohn sei, der seine Gabe und seine Macht geerbt hatte …
    Macht! Irgend etwas in mir explodierte zu Wut, einer Wut, die ich seit jenem Tag all die Jahre hindurch in mir getragen haben mußte.
    Er war willens gewesen, mich zu töten! Warum hatte ich das noch niemals zuvor so gesehen? Kaltblütig hatte er meinen Tod in Kauf genommen für die Hoffnung, ein Werkzeug zu erhalten, das seiner Macht diente. Macht! Wie Dyan war es ihm gleichgültig, welche Qualen er verursachte, um sie zu erringen! Ich konnte mich immer noch an den wahnsinnigen Schmerz des ersten Kontaktes erinnern. Ich war lange Zeit danach noch schwer krank, aber umgeben von seiner Liebe und Zuneigung, daß ich das Wissen vergessen – oder besser: verdrängt – hatte, daß er willens gewesen war, meinen Tod zu riskieren.
    Warum? Wenn sich die Gabe bei mir nicht herausgestellt hätte, warum dann … warum? Weil dann mein Leben für ihn keine Rolle gespielt hätte, mein Tod für ihn nicht mehr gewesen wäre als der Tod eines jungen Hundes!
    Er sah mich außer sich an und flüsterte: »Nein, nein, mein Sohn. Oh, mein Junge, mein Junge, so war es nicht!« Aber ich verbarrikadierte zum ersten Mal für ihn meine Gedanken und stellte mich den liebevollen Worten gegenüber tot.
    Liebevolle Worte, um mir wiederum seinen Willen aufzuzwingen! Und Schmerz fühlte er nur deshalb, weil seine Pläne ins Schwanken gerieten, wenn seine Puppe, sein blindes Werkzeug, seine Kreatur, sich aus seinen Händen wand!
    Er war also nicht besser als Dyan. Ehre, Gerechtigkeit, Vernunft – all das konnte er in skrupelloser Gier nach Macht beiseite fegen! Wußte er überhaupt, daß Danilo ein Katalysatortelepath war? Daß er

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