Hasturs Erbe
diesem Moment kam ein halbes Dutzend Kadetten herein, wollte sich an den nächsten Tisch setzen, sah die beiden Comyn dort, die miteinander lachten, ging zurück und scharte sich um einen kleineren Tisch in der Nähe der Tür. Dyan hatte ihnen den Rücken zugewandt. Einige von ihnen gehörten zu Regis Baracke. Er nickte ihnen höflich zu, doch sie taten, als sähen sie ihn nicht.
»Morgen wird also dein erstes Kadettenjahr vorüber sein«, sagte Dyan. »Hast du dich schon entschlossen, ob du im nächsten Jahr wiederkommst?«
»Ich denke schon, Kapitän.«
Dyan nickte. »Wenn du das erste Jahr überlebst, wird alles leichter. Dieses erste Jahr ist es, das verwöhnte Kinder in Soldaten verwandelt. Ich habe mit dem Waffenmeister gesprochen und vorgeschlagen, daß er dich im nächsten Jahr als einen seiner Gehilfen annimmt. Glaubst du, du kannst den Kindern ein bißchen von dem beibringen, was ich in dich hineinzustopfen versucht habe?«
»Ich kann es versuchen, Sir.«
»Sei nur nicht zu sanft mit ihnen. Ein paar Verletzungen zur richtigen Zeit können ihnen später einmal das Leben retten.« Plötzlich grinste er. »Wenn ich mir deine Rippen ansehe, Vetter, habe ich dir besser zugesetzt, als ich gedacht hatte!«
Das Grinsen wirkte ansteckend. Regis lachte und sagte: »Ihr habt mit Schlägen nicht gespart. Ohne Zweifel werde ich eines Tages dafür dankbar sein.«
Dyan zuckte die Achseln. »Immerhin hast du dich nicht beklagt«, sagte er. »Ich bewundere das bei einem Jungen deines Alters.« Er sah Regis einen Sekundenbruchteil länger an, als Regis als angenehm empfand. Dann nahm er einen langen Zug aus dem Glas. »Ich wäre über ein solches Verhalten bei meinem eigenen Sohn dankbar gewesen.«
»Ich wußte nicht, daß Ihr einen Sohn habt, Sir.«
Dyan goß sich Wein nach und sagte, ohne aufzublicken: »Ich habe einen Sohn gehabt .« Sein Tonfall änderte sich in keiner Nuance, doch Regis fühlte den Schmerz hinter Dyans bewußt beherrschter Stimme. »Er wurde vor ein paar Jahren von einem Steinschlag in Nevarsin getötet.«
»Das tut nur leid, Vetter. Das habe ich nicht gewußt.«
»Er war nur einmal in Thendara, als ich ihn legitimieren ließ. Er ist bei seiner Mutter aufgewachsen, daher habe ich ihn nur selten gesehen. Wir haben uns eigentlich nie richtig kennengelernt.«
Beide schwiegen. Regis konnte das scharfe Gefühl von Bedauern und Verlust nicht abwehren, das er bei Dyan spürte. Er mußte etwas sagen.
»Lord Dyan, Ihr seid noch kein alter Mann. Ihr könnt noch viele Söhne haben.«
Dyans Lächeln war nur ein mechanisches Verziehen der Mundwinkel. »Es ist wahrscheinlicher, daß ich einen der Bastarde meines Vaters adoptiere«, sagte er. »Er hat sie überall im Lande verstreut, von den Hellers bis zu der Ebene von Valeron. Es ist wahrscheinlich leicht, einen mit Laran zu finden, denn das ist alles, worauf der Rat Wert legt. Ich war nie ein Mann für die Frauen und habe auch niemals ein Geheimnis daraus gemacht. Ich habe mich gezwungen, meinem Clan gegenüber meine Pflicht zu erfüllen. Einmal. Das reicht.« Regis erwachter Sensibilität erschien dies unsäglich bitter. »Ich weigere mich, mich als eine besondere Art von Zuchttier zu verstehen, dessen Erträge den Comyn gezahlt werden. Ich bin sicher, du …« – er hob den Bück und sah Regis an, wieder mit dieser Intensität – »… kannst verstehen, was ich meine.«
Dyans Worte trafen auf Verständnis, doch sein intensiver Blick, das Gefühl, welches er offensichtlich herstellen wollte, daß ein besonderes Verhältnis zwischen ihnen beiden existiere, machte den Jungen plötzlich verlegen. Er senkte den Blick und sagte: »Ich bin nicht ganz sicher, was Ihr meint, Vetter.«
Dyan zuckte die Achseln, und die plötzliche Intensität war verschwunden, so rasch, wie sie gekommen war. »Nun, einfach Erbe der Hastur zu sein. Sie haben doch bestimmt schon angefangen, dich unter Druck zu setzen zu heiraten, wie sie es auch mit mir gemacht haben, als ich in deinem Alter war. Dein Großvater hat im Rat den Ruf, der hartnäckigste und vorsichtigste Kuppler zu sein. Glaubst du, er hat das Fest verstreichen lassen, ohne ein Dutzend passender Mädchen vor dir Parade ziehen zu lassen, in der Hoffnung, daß du für eine von ihnen eine unbändige Zuneigung entwickelst?«
Regis sagte steif: »Das hat er allerdings nicht getan, Sir. Ich hatte in jener Nacht Dienst.«
»Ehrlich?« Dyan hob die eindrucksvolle Braue hoch. »Es waren ein Dutzend hochwohlgeborener
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