Hasturs Erbe
riesiges Insekt aus. Ungeduldig winkte er Regis in den Übungsraum. In der Eile vergaß Regis seine langen Handschuhe, und der Ältere sagte grob: »Nach all diesen Monaten? Sieh dir das an …« Er streckte die geballte Faust aus und zeigte auf einen Knoten über den Sehnen auf dem Handrücken. »Das habe ich mir zugezogen, als ich ungefähr in deinem Alter war. Ich sollte es dich eines Tages einmal ohne Handschuhe versuchen lassen. Wenn du es noch einmal vergißt, wird das geschehen. Ich kann dir versprechen, noch einmal wirst du es nicht mehr vergessen.«
Regis fühlte sich wie ein Kind, dem man einen Klaps versetzt hat, ging hastig zurück und holte sich ein paar schwere, gefütterte Handschuhe. Dann eilte er zurück. Auf der anderen Seite gab einer der Adjutanten des Waffenmeisters dem kleinen Gareth Lindir eine Lektion und korrigierte geduldig die Positionen von Armen und Beinen, Schultern und Hand nach jedem einzelnen Schlag. Regis konnte ihre Gesichter hinter den Fechtmasken nicht sehen, doch beide wirkten gelangweilt. Verletzungen waren dann schon besser, dachte Regis, als er auf Dyan zueilte.
Heute dauerte der Kampf nur kurz. Dyan bewegte sich langsamer als gewöhnlich, ja, fast unbeholfen. Regis erinnerte sich mit einem Anflug von Verlegenheit an den Traum vor einiger Zeit, als er mit Dyan gefochten hatte. Er konnte sich an die Einzelheiten nicht erinnern, doch es erfüllte ihn aus unbekannten Gründen mit Furcht. Schließlich besiegte er Dyan und wartete, daß der ältere Mann wieder seinen Platz einnahm. Doch statt dessen schleuderte Dyan das Holzschwert von sich.
»Du wirst mich für heute entschuldigen müssen«, sagte er. »Ich bin irgendwie …« Er hielt inne. »Irgendwie … habe ich keine Lust weiterzumachen.« Regis hatte das Gefühl, er wolle eine Krankheit vorschieben. »Wenn du weitermachen willst, finde ich jemanden für dich.«
»Wie Ihr wünscht, Kapitän.«
»Genug also.« Er zog sich die Maske herab und ging in den Umkleideraum. Regis folgte ihm langsam. Dyan atmete schwer. Sein Gesicht war schweißnaß. Er nahm ein Handtuch und vergrub das Gesicht darin. Regis, der sich die Weste aufschnallte, wandte sich ab. Wie vielen jungen Leuten war es ihm peinlich, bei einem älteren Schwäche zu bemerken. Unter dem dicken Wams war sein eigenes Hemd schweißnaß. Er zog es aus und ging zu seinem Schränkchen, um ein frisches zu holen, das er gewöhnlich dort aufbewahrte. Dyan legte das Handtuch fort und trat hinter ihn. Er blickte Regis’ nackten Oberkörper an, der dunkel von geheilten und frischen Verletzungen war, und sagte schließlich: »Das hättest du mir sagen sollen. Ich hatte keine Ahnung, daß ich so schwer zuschlage.« Doch er lächelte dabei. Er streckte beide Hände aus und strich fest und intensiv über Regis Rippen. Regis wich vor der Berührung zurück und lachte nervös. Dyan zuckte die Achseln und lachte ebenfalls. »Kein Knochen gebrochen«, sagte er und ließ die Finger über den unteren Rippenbogen gleiten. »Also nicht schlimm.«
Regis beeilte sich, das frische Hemd überzuziehen und dachte, daß Dyan genau auf den Zentimeter wußte, wann immer er eine alte Verletzung traf oder ihm eine neue zufügte!
Dyan setzte sich auf die Bank und band sich die Schuhe zu. Er warf die Fechtsandalen in den Schrank. »Ich möchte mit dir reden«, sagte er. »Du hast in der nächsten Stunde keinen Dienst. Komm mit mir in die Schenke. Du wirst auch Durst haben.«
»Danke.« Regis nahm seinen Umhang, und sie gingen den Berg herab in ein Gasthaus in der Nähe der Militärställe, nicht in das große, wo die gemeinen Soldaten zu trinken pflegten, sondern in die kleine Weinschenke, wo die Offiziere und Kadetten ihre Freizeit verbrachten. »Wir können auch ins Hinterzimmer gehen, wenn es dir lieber ist.«
»Nein, hier ist es gut.«
»Du bist sehr klug«, sagte Dyan gleichgültig. »Die anderen Kadetten hätten etwas dagegen, wenn du dich von den normalen Freizeitplätzen und Vergnügungen fernhieltest. Was möchtest du trinken?«
»Apfelwein, Sir.«
»Nichts Stärkeres? Wie du willst.« Dyan rief den Kellner und gab ihm die Bestellung weiter, wobei er für sich Wein orderte. Er sagte: »Ich glaube, der Grund, warum so viele Kadetten hart zu trinken beginnen, ist der: Das Bier in der Messe ist fast untrinkbar, daher ziehen sie Wein vor. Vielleicht sollten wir besseres Bier ausschenken, um sie nüchtern zu halten!«
Er hörte sich so komisch an, daß Regis unwillkürlich lachte. In
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