Hauch der Verdammnis
hin, die sie ihr aus den Fingern schnappten.
Michael sah den fressenden Fischen einige Sekunden lang zu und wünschte sich, er hätte auch etwas mitgebracht, das sie so anzog, wie es die Erbsen anscheinend taten. Die Fische beendeten ihr Mahl, dann waren sie plötzlich wie durch Zauberei verschwunden. Er hatte sie gar nicht davonschwimmen sehen. Es war so, als seien sie in der einen Sekunde da gewesen und in der nächsten nicht mehr. Er suchte das Wasser nach ihnen ab, aber sie blieben verschwunden.
Doch auch Les, der Mann, der sein Tauchpartner sein sollte, war nirgends zu sehen.
In seinem ersten Schrecken wollte Michael sofort an die Oberfläche schwimmen und um Hilfe rufen, aber dann fiel ihm ein, dass genau das völlig falsch wäre.
»Laßt euch niemals durch Panik an die Oberfläche treiben«, hatte Dave ihnen am Morgen eingeschärft. »Bei unserem ersten Tauchgang heute nachmittag werdet ihr nicht sehr tief tauchen, so dass keine Gefahr besteht, dass ihr zu Schaden kommt. Aber wenn ihr tief taucht, ist ein schneller Aufstieg das Schlimmste, was ihr tun könnt. Wenn ihr zu schnell nach oben kommt, spürt ihr bestenfalls einen Schmerz, wie ihr ihn noch nie gespürt habt. Schlimmstenfalls könnt ihr sterben.« Dave machte eine Pause und ließ seine Warnung wirken. »Aber es ist nicht nur das«, fuhr er fort. »Wenn ihr euch plötzlich allein wiederfindet, kann das bedeuten, dass euer Partner in Schwierigkeiten steckt. Versucht nicht, Hilfe zu holen. Denkt daran, dass ihr diejenigen sein sollt, die ihm helfen. Geht nur nach oben, wenn ihr keine andere Wahl mehr habt.«
Es gelang Michael, sich aus der Umklammerung der Panik zu lösen. Er holte tief Luft, wobei er sich vergewisserte, dass er gut atmen konnte, und sich gleichzeitig beruhigte.
Gelassener sah er sich nach Les um, aber er entdeckte keine Spur von dem ihm zugeteilten Partner. Das konnte zweierlei bedeuten: Les hatte entweder Probleme, oder er war einfach davongeschwommen, ohne sich darum zu kümmern, ob Michael ihm folgte.
Auf jeden Fall war es keine gute Situation, denn wenn Michael jetzt in irgendwelche Schwierigkeiten geriet, konnte ihm niemand helfen.
Die Panik witterte eine neue Gelegenheit und kroch langsam heran, aber diesmal hatte Michael weniger Mühe, sie abzuwehren. Er hatte genug Luft, er war nicht tief unter der Wasseroberfläche, und dank seiner Flossen konnte er weitaus besser schwimmen als sonst.
Er bewegte sich auf das Riff zu, das etwa zehn Meter vor ihm lag, eine große Lavafläche, die mit leuchtenden orangefarbenen Korallen bedeckt war. Mehrere Schnorchler schwammen darüber, während sich unter ihm drei Taucher bewegten.
Drei! Vielleicht hatte er Les gefunden.
Er schlug mit den Beinen, und die Flossen ließen ihn schnell und leicht durch das Wasser gleiten. Ein paar Sekunden später war er bei den Tauchern und erkannte durch seine Gesichtsmaske Les.
Im gleichen Augenblick schwamm Les auch schon tiefer das Riff hinunter, so als hätte er Michael gar nicht bemerkt.
Die Furcht, die Michael vorhin ergriffen hatte, verwandelte sich in Wut. Was hatte dieser Idiot vor? Was immer es war, er scherte sich offensichtlich einen Dreck darum, Michael im Auge zu behalten. Was sollte er nun tun? Den Tauchgang beenden und zum Strand zurückschwimmen? Oder versuchen, Les zu verfolgen, obwohl ziemlich klar war, dass er sich bei Gefahr kaum auf ihn verlassen konnte?
Dann erinnerte er sich an den Jungen seines Alters, der allein tauchte. Vielleicht konnte er ihn finden und sich mit ihm zusammentun. Er sah sich um. Les war bereits wieder verschwunden.
Sollte er nicht doch nach ihm suchen? Er sagte sich, dass es nicht der Mühe wert war, aber dann gelangte er zu der Einsicht, dass es keine Rolle spielte, ob Les sich um ihn kümmerte oder nicht. Er hatte Les als Partner akzeptiert - nicht, dass er eine große Auswahl gehabt hätte -, aber es war nun einmal so.
Erneut machte er sich auf die Suche. Er stieg etwas höher, um über das Riff hinweg zu schwimmen. Überall tummelten sich Fische, Triggerfische, die sich in großen Rudeln bewegten, ein paar leuchtend bunte Huma-humas, die auf dem Riff nach Nahrung suchten, und die allgegenwärtigen Papageienfische, die an den Korallen nibbelten.
Keine Spur von Les.
Er ging wieder tiefer hinab und schwamm um das Riff herum, doch Les war nirgends zu sehen. Gerade wollte er umdrehen, um die andere Seite des Riffs abzusuchen, als er plötzlich etwas sah.
Das Ende einer Schwimmflosse. Es war nur eine,
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