Hauch der Verfuehrung
war, ließ er sie erleichtert gehen und wunderte sich, dass Lady Fritham - die nicht anders als die anderen Matronen zu sein schien - nichts von Eleanors erstaunlich unpassenden Neigungen bemerkte. Er gab sich zugegebenermaßen Mühe, Jacqueline zu verführen, wobei er sich allerdings sicher war, dass sie noch Jungfrau war. Eleanor ... da war etwas in ihren Augen, etwas Lautes, Krasses, das ihn zu der Überzeugung gelangen ließ, dass sie bereits vom Quell des Eros getrunken hatte.
Gewöhnlich würde er daraus niemandem einen Vorwurf machen - das wäre in höchstem Maße Heuchelei doch in Eleanors obszönem Gehabe lag etwas, das ihn abstieß. Und nicht nur ihn, sondern Barnaby auch. Sie hatten nicht darüber gesprochen; das war auch nicht nötig - ein Blick reichte. Niemand fühlte sich irgendwie zu Eleanor hingezogen, was verwunderlich war, denn sie war rein äußerlich sehr schön.
Bei dem Gedanken schaute er sich nach Jacqueline um; ihr Anblick, wie sie auf ihn zukam, hob seine Stimmung, auch wenn sie an Matthew Brisendens Arm ging. Aber Matthew war ein weiteres männliches Wesen, das an Eleanor nichts anziehend fand und - anders als Gerrard - daraus auch keinen Hehl machte. Eleanor entfernte sich.
Gerrard verkniff es sich, Matthew seinen Dank auszusprechen, sondern neigte nur billigend den Kopf. Der Abend verlief ohne weitere Zwischenfälle; immer mehr Gäste suchten die Terrasse und die Gärten auf, schlenderten durch den Ballsaal und die anderen Empfangsräume.
Schließlich erklangen die ersten Noten des Walzers vor dem Supper; mit echter Erleichterung - echter und auch hoffnungsvoller Vorfreude - zog Gerrard Jacqueline in seine Arme und führte sie auf die Tanzfläche.
Sie lächelte, seufzte leise und entspannte sich; er hatte nicht das Herz, sie weiter zu bedrängen. Stattdessen hielt er sie nur eng, aber sanft an sich gezogen und ließ seine Augen und das Schweigen zwischen ihnen sprechen.
Diese Form der Kommunikation fiel ihnen immer leichter. Am Ende des Tanzes dachte Jacqueline nur an ihn, an sie beide zusammen und die Entscheidung, die sie treffen musste - obwohl kein Wort zwischen ihnen gefallen war.
Das Zeichen, auf das sie noch wartete, und die Antwort, die sie noch erhalten musste.
Gerrard brachte sie in den Speisesaal. Nachdem sie sich ihre Teller gefüllt und an einem Tisch Platz gefunden hatten, setzten sich Giles, Cedric, Clara und Mary zu ihnen, später dann auch noch Barnaby. Die Unterhaltung war leicht und flüssig; sich Gerrards Nähe überdeutlich bewusst, wandte sich Jacqueline privaten Überlegungen zu.
Sie sprachen gerade darüber, in den Ballsaal zurückzukehren, als Eleanor und Jordan zu ihnen kamen. Jacqueline lächelte, als sie am Tisch stehen blieben; es fiel ihr auf, dass sie bei allen anderen Bällen früher immer zu dritt zusammen gewesen waren. Das war heute anders, und es würde auch nicht wieder so sein. Der Umstand, dass sie in den vergangenen Jahren an keinerlei Gesellschaften oder Tanzveranstaltungen teilgenommen hatte, hatte zur Folge, dass sie und ihre Jugendfreunde sich auseinandergelebt hatten. Solange sie sie auf Hellebore Hall besucht hatten, war es nicht so deutlich aufgefallen, aber in Situationen wie diesen war der Unterschied unübersehbar.
Jordan und Eleanor beteiligten sich an dem Gespräch; dann fing Jordan ihren Blick auf und umrundete den Tisch, um sich neben sie zu stellen.
Er beugte sich zu ihr hinunter und sagte vertraulich: »Es machen Gerüchte die Runde, wer Thomas umgebracht hat - anscheinend hat man endlich begriffen, dass du es nicht gewesen sein kannst. Natürlich kursiert immer noch eine Menge Unsinn, den man sich wegen des Todes deiner Mutter erzählt, aber du kannst darauf vertrauen, dass ich allen, die ich Mutmaßungen darüber anstellen gehört habe, deutlich die Meinung gesagt habe.«
Mit einem überheblichen Blick richtete er sich auf. »Nichts als übel wollender Klatsch - wir wissen alle, dass nichts daran ist.«
Sein Blick ruhte auf ihrem Gesicht, und Jacqueline war sich unangenehm des plötzlichen Schweigens um sie herum bewusst. Obwohl Jordan mit gesenkter Stimme gesprochen hatte, hatten ihn alle vernommen.
Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte.
Ihr sank das Herz, es fühlte sich kalt und schwer an. Ein vertrautes Band legte sich um ihre Brust, schnürte ihr die Luft ab. Knapp neigte sie den Kopf und sagte nur: »Danke.«
Sie drehte sich zu den anderen um und zwang sich, in ihre Gesichter zu sehen. Und
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