Haunted (German Edition)
Gesicht.
Er erschrak, japste nach Luft.
Der Schatten roch. Ein Geruch nach Schimmel und Erde, der fast vertraut wirkte. Einer der wedelnden Arme streckte sich und berührte ihn, und in diesem Moment verstand er es. Dies war nicht der Geist von John Lynch, auch wenn Lynchs Geist anwesend und dominant war. Dies war etwas anderes. Es wollte , dass er wusste, was es war, und obwohl er es nicht komplett verstand, wusste er, dass es sich hier um ein Wesen handelte, das aus Geistern und Seelen bestand, eines das die Toten aufsaugte, sich aber aus ihnen zusammensetzte und sie nicht abspaltete. Es war eine Kreatur, die uralt war, sich aber entwickelte, die sich mit jeder Ergänzung veränderte und wuchs, und obwohl das Verständnis ihrer Komplexitäten unvollkommen war, wusste er, dass dieses Ding in seinem Kern böse war.
Und es wollte seinen Tod.
Es wollte ihn aber nicht umbringen. Es wollte, dass er sich umbrachte. Er war sich nicht sicher, warum, verstand den Unterschied nicht, aber die Erkenntnis war sicher und eindeutig, sie wurde von der kalten, schattenartigen Gliedmaße, die sich an seinen Vorderarm schmiegte, direkt in sein Gehirn übertragen. Er sollte Selbstmord begehen. Das war jedoch ein Impuls, den er nie verspürt hatte, und er riss sich los, stellte sich mitten in das Zimmer, richtete sich in seiner vollen Größe auf und sagte laut: »Nein.«
Der Angriff erfolgte sofort.
Die Lampe auf dem Beistelltisch flog auf ihn zu, ihr Kabel wurde aus der Wandsteckdose gezogen und der Raum in Dunkelheit verwandelt. Er taumelte nach rechts, spürte, wie der Gegenstand vorbeizischte, und hörte, wie er gegen den Couchtisch prallte. Überall um ihn herum das Geräusch von Bewegung – Quietschen, Kratzen, Knarzen, Krach, dumpfe Schläge, Plumps, Klopfen, Knall – und Julian sank zu Boden und fing an, in die Richtung zu kriechen, von der er dachte, dass dort die Haustür sein sollte. Er stieß mit etwas Schwerem und Unbeweglichem zusammen – der indianische Blumentopf, der Claires Benjamini enthielt –, er knallte mit dem Kopf hart gegen das Gefäß, hielt kurz inne, um sich zurechtzufinden und war froh, dass er kein nasses Blut an seinem Gesicht spürte.
So muss es sein, wenn man blind ist, dachte er, und huschte, so schnell er konnte, nach links über den Fußboden.
Bis zu diesem Moment hatte er nicht realisiert, wie mächtig dieses Wesen war, hatte nicht gewusst, dass es materielle Gegenstände auf ihn werfen konnte, obwohl so eine reale Sorge auf seltsame Weise die Angst, die er verspürte, linderte und dem Ur-Terror, den er bis jetzt erlebt hatte, eine greifbare Genauigkeit verpasste.
Irgendetwas streifte ihn, irgendetwas Haariges, und augenblicklich war diese Ur-Angst wieder da. Unfreiwillig schrie er erschrocken und angeekelt auf, und dann bekam er einen Tritt in die Seite; als er umgehauen wurde, blieb ihm die Luft weg. Aber er wurde in die richtige Richtung getreten und er rollte herum, japste nach Luft und entdeckte, dass er an der Haustür lehnte. Selbst als er einen harten Schlag in den Rücken bekam, zwang er sich, den Schmerz zu ignorieren, und er fand den Türgriff, zog sich hoch und riss vorwärts taumelnd die Tür auf.
Er schaffte es aus dem Haus, schlug die Tür hinter sich zu.
Und brach zusammen.
Er wachte auf dem Rasen im Vorgarten auf, sein Kopf lag auf dem Zement der Einfahrt, ein Arm angewinkelt und darunter als Kissen verwendet. Er wusste, wo er sich befand und was passiert war, er war überhaupt nicht erschöpft, obwohl sein Rücken, sein Hals, seine Seite und seine Schultern schmerzten, und gleich nach dem Aufwachen stieg er in den Van und fuhr zum Haus von Claires Eltern. Ihr Dad, Roger, öffnete die Tür, begrüßte ihn stirnrunzelnd, aber über die Schulter des alten Mannes sah Julian Claire, Megan und James, wie sie in der Küche frühstückten, und nach der oberflächlichsten Begrüßung schob er sich an Roger vorbei in das Haus und eilte zu seiner Familie, voller Dankbarkeit, dass sie alle hier waren und es ihnen gut ging.
James blickte auf, als er eintrat, und der Ausdruck von Freude und Erleichterung im Gesicht seines Sohnes – Freude, dass er hier war, Erleichterung, dass ihm nichts zugestoßen war – veranlasste Julian, zu seinem Sohn hinüberzueilen und ihn fest zu umarmen. Die enge Umarmung, die er erhielt, brachte ihn fast zum Weinen. »Ich liebe dich«, sagte Julian.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte James sofort.
Es handelte sich um etwas, dass sie sich immer
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